Die vergessenen Welten 08 - Nacht ohne Sterne
Tochter von Baenre sehr ungewöhnlich war, überraschte Jarlaxle.
»Unsere Pläne machen Fortschritte«, sagte Triel plötzlich. »Oberin Baenre bereitet ein Hohes Ritual vor, eine Zeremonie, die jetzt noch dadurch an Bedeutung gewinnt, daß sie ein äußerst würdiges Opfer zur Verfügung hat.«
Jarlaxle dachte sorgsam über ihre Worte und die Betonung nach, mit der Triel sie ausgesprochen hatte. Drizzt, das ursprüngliche Bindeglied zu Mithril-Halle, war gefangengenommen worden, aber Oberin Baenre plante mit unverminderter Energie, den Feldzug vorzubereiten und Mithril-Halle zu erobern. Was würde Lloth davon halten, fragte sich der Söldner.
»Sicherlich wird sich Eure Oberin Zeit nehmen, alle Möglichkeiten zu überdenken«, erwiderte er daher ruhig.
»Sie nähert sich ihrem Tod«, herrschte Triel ihn an. »Sie
hungert nach der Eroberung, und sie wird sich selbst nicht gestatten zu sterben. Nicht, bevor dieses Ziel erreicht ist.«
Jarlaxle hätte fast über den Satz »Sie wird sich selbst nicht
gestatten zu sterben« gelacht, aber dann dachte er über die verwitterte Oberin Mutter nach. Baenre hätte schon vor Jahrhunderten gestorben sein müssen, und doch lebte sie noch immer. Vielleicht hatte Triel recht, grübelte der Söldner. Vielleicht erkannte Oberin Baenre, daß die Jahrzehnte sie schließlich doch einholen würden, vielleicht trieb sie deshalb ohne Rücksicht auf die Konsequenzen die Eroberung voran. Jarlaxle liebte das Chaos, liebte den Krieg, aber dies hier war eine Angelegenheit, die man sorgfältig überdenken mußte. Der Söldner genoß sein Leben in Menzoberranzan in vollen Zügen. Bedeuteten die Pläne der Oberin Baenre vielleicht eine Gefahr für ihn?
»Sie hält Drizzts Gefangennahme für eine gute Sache«, fuhr Triel fort, »und das ist sie auch - das ist sie wahrhaftig! Dieser Abtrünnige ist als Opfer für die Spinnenkönigin schon lange überfällig.«
»Aber...«, lockte Jarlaxle.
»Aber wie soll die Allianz zusammenhalten, wenn die anderen Oberinnen erfahren, daß Drizzt bereits gefangengenommen wurde?« grübelte Triel laut vor sich hin. »Es handelt sich dabei, selbst im besten Fall, doch nur um einen provisorischen Zusammenschluß, und er wird noch provisorischer werden, wenn einige zu glauben beginnen, daß Lloth den Überfall nicht mehr billigt, weil das Hauptziel solch eines Zugs an die Oberfläche bereits erreicht worden ist.«
Jarlaxle faltete seine Finger vor sich und blieb lange stumm. Sie war klug, diese Tochter von Baenre, klug und erfahren, und kannte das Wesen der Drow wie niemand anders in der Stadt - mit Ausnahme ihrer Mutter und, vielleicht, Jarlaxle. Aber jetzt hatte sie, die soviel mehr zu verlieren hatte, dem Söldner etwas gezeigt, an das er selbst nicht gedacht hatte und das für ihn möglicherweise ein ernstes Problem darstellen würde.
Triel versuchte vergebens, ihre Bedenken zu verbergen, wandte sich ab und durchquerte den kleinen Raum. Sie wurde kaum langsamer, als sie durch das ungewöhnliche Portal trat, das fast wie elastischer Leim zwischen zwei Existenzebenen schwebte, und in dem sie eine größere Strecke durch einen wäßrigen Korridor schreiten mußte (obgleich die Tür nur wenige Zoll dick zu sein schien), bevor sie zwischen zwei grinsenden Wachleuten von Bregan D'aerthe in einen Gang hinaustrat.
Einen Augenblick später sah Jarlaxle den Wärmeumriß einer Hand, die gegen die fast undurchsichtige Tür gepreßt wurde. Dies war das Zeichen, daß Triel den Stützpunkt verlassen hatte. Ein Hebel unter der Schreibtischplatte öffnete sieben Geheimtüren im Boden und in den Wänden, durch die mehrere Drow und ein Mensch, Artemis Entreri nämlich, herauskletterten.
»Triel hat Berichte über die Frau auf der Insel gehört«, sagte Jarlaxle zu den Soldaten, die seine vertrautesten Berater waren. »Mischt euch unter die Truppen und bekommt heraus, wer uns an die Tochter von Baenre verraten hat.«
»Sollen wir ihn töten?« fragte ein eifriger Drow, eine bösartige Kreatur, deren Fertigkeiten Jarlaxle schätzte, wenn es darum ging, Verhöre durchzuführen.
Der Söldnerführer warf dem Soldaten einen herablassenden Blick zu, und seine Kameraden taten es ihm nach. Tradition in der Untergrundbande war es nicht, Spione hinzurichten, sondern sie sorgfältig zu manipulieren. Jarlaxle hatte bei vielen Gelegenheiten bewiesen, daß er durch einen feindlichen Informanten ebensoviel ausrichten konnte und ebenso viele Fehlinformationen in die Welt setzen konnte
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