Die vergessenen Welten 08 - Nacht ohne Sterne
Gewinn hervorzugehen schien.
* * *
Drizzt war nur halb bei Bewußtsein und wußte daher nicht, wie lange die Bestrafung angedauert hatte. Vendes war brillant in ihrem grausamen Handwerk. Sie fand jeden empfindlichen Punkt an ihrem unglücklichen Gefangenen und schlug ihn, bohrte in ihm herum und riß mit bösartig spitzen Instrumenten daran. Sie hielt Drizzt an der Grenze zur Bewußtlosigkeit, ohne ihm jemals zu erlauben, die Besinnung zu verlieren und damit den unerträglichen Schmerzen zu entfliehen.
Dann verließ sie ihn, und Drizzt sackte in seinen Handschellen zusammen, ohne darauf Rücksicht nehmen zu können, welche Verletzungen die scharfkantigen Ringe an seinen Handgelenken hinterließen. Das einzige, was der Waldläufer in diesem schrecklichen Augenblick wollte, war, die Welt und seinen schmerzenden Körper hinter sich zu lassen. Er konnte weder an die Oberfläche noch an seine Freunde denken. Er erinnerte sich daran, daß Guenhwyvar auf der Insel gewesen war, konnte sich aber nicht genug konzentrieren, um über die Bedeutsamkeit dieses Umstandes nachzusinnen.
Er war besiegt worden; zum ersten Mal in seinem Leben fragte sich Drizzt, ob der Tod vielleicht dem Leben vorzuziehen war.
Er spürte, wie jemand grob in seine Haare griff und seinen Kopf nach hinten riß. Er versuchte durch seine verschwommenen und geschwollenen Augen zu blicken, denn er fürchtete, daß die bösartige Vendes zurückgekehrt war. Die Stimmen, die er hörte, stammten jedoch von Männern.
Eine Flasche wurde gegen seine Lippen gepreßt und sein Kopf zur Seite gebogen, damit die Flüssigkeit in seine Kehle rinnen konnte. Instinktiv versuchte Drizzt sich zu wehren, da er vermutete, daß es sich um ein Gift oder einen Trank handelte, der ihm seinen freien Willen rauben würde. Er spuckte einen Teil der Flüssigkeit aus, woraufhin man seinen Kopf gegen die Wand schlug und ihm dann noch mehr von dem sauren Zeug einflößte.
Drizzt fühlte seinen ganzen Körper brennen, als ob sein Inneres in Flammen stünde. In diesen Augenblicken, die er für die letzten seines Lebens hielt, kämpfte er wild gegen die unnachgiebigen Ketten, bevor er erschöpft zusammensackte und auf den Tod wartete.
Das Brennen wurde zu einem Kitzeln und dann zu einer süßen Empfindung; Drizzt fühlte sich plötzlich stärker, und sein Sehvermögen kehrte zurück, als die Schwellung seiner Augen zurückging.
Vor ihm standen die Brüder Baenre.
»Drizzt Do'Urden«, sagte Dantrag ruhig. »Ich habe viele Jahre darauf gewartet, Euch zu treffen.«
Drizzt vermochte darauf nichts zu erwidern.
»Kennt Ihr mich? Wißt Ihr von mir?« fragte Dantrag.
Wieder sagte Drizzt nichts, und diesmal brachte ihm sein Schweigen einen Schlag ins Gesicht ein.
»Wißt Ihr von mir?« fragte Dantrag mit Nachdruck.
Drizzt versuchte angestrengt, sich an den Namen zu erinnern, mit dem Oberin Baenre diesen Mann bezeichnet hatte. Er kannte Berg'inyon aus ihrer Zeit an der Akademie und von den Patrouillengängen, aber diesen anderen nicht; er konnte sich nicht an den Namen erinnern. Ihm war klar, daß es für diesen Mann auch eine Frage seines Selbstbewußtseins war und daß es klug wäre, diesen falschen Stolz zu besänftigen. Er warf einen Blick auf die Kleidung des Mannes und kam dann zu einer Einschätzung, die ihm hoffentlich weiterhalf.
»Der Waffenmeister des Hauses Baenre«, nuschelte er, und nach jedem Wort floß Blut aus seinem zerschlagenen Mund. Er stellte fest, daß diese Wunden nicht mehr so stechend schmerzten, als würden sie schnell heilen, und ihm wurde jetzt klar, was für eine Art von Trank man ihm eingeflößt hatte.
»So hat euch also Zaknafein von Dantrag berichtet«, schloß der Mann daraus und warf sich in die Brust wie ein Gockel auf dem Hühnerhof.
»Natürlich«, log Drizzt.
»Dann wißt Ihr, warum ich hier bin?«
»Nein«, antwortete Drizzt ehrlich und war reichlich verwirrt.
Dantrag sah über seine Schulter und lenkte damit Drizzts Blick quer durch den Raum zu einem Haufen von Ausrüstungsteilen - Drizzts Ausrüstung! -, die ordentlich in
einer Ecke aufgestapelt waren.
»Viele Jahre lang wünschte ich mir einen Kampf mit Zaknafein«, erklärte Dantrag, »um zu beweisen, daß ich der Bessere war. Er hatte Angst vor mir und wollte nicht aus seinem Schlupfloch kommen.«
Drizzt widerstand dem Drang, laut die Luft einzuziehen; Zaknafein hatte sich vor niemandem gefürchtet.
»Jetzt habe ich Euch«, fuhr Dantrag fort.
»Um Euch zu beweisen?« fragte
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