Die vergessenen Welten 09 - Brüder des Dunkels
worden war.
Ihre Freundschaft wärmte dem alten Zwergenkönig natürlich das Herz, aber der Gedanke an sie bewirkte auch noch etwas anderes.
Sie ließen Bruenor an Wulfgar denken, den Barbaren, der wie ein Sohn für ihn gewesen war, der Catti-brie hätte heiraten und damit sein Schwiegersohn und der unwahrscheinliche, sieben Fuß große Prinz von MithrilHalle werden sollen. Bruenor hatte nie zuvor Trauer erlebt, wie sie nach Wulfgars Tod seine starken Schultern gebeugt hatte. Obgleich er noch wenigstens ein Jahrhundert seiner Lebenszeit vor sich hatte, hatte Bruenor sich in jenen Wochen des Trauerns dem Tode nahe gefühlt, und er hätte ihn als willkommene Erlösung angesehen.
Doch jetzt nicht mehr. Er vermißte Wulfgar noch immer – beim Gedanken an den edlen Krieger würde sich sein graues Auge für alle Zeiten verschleiern –, aber er war der Achte König, der Anführer seiner stolzen, starken Sippe. Bruenors Trauer hatte den Punkt der Resignation überschritten und war in den Bereich des Zorns übergegangen. Die Dunkelelfen waren wieder da, die gleichen Dunkelelfen, die Wulfgar getötet hatten. Sie waren die Anhänger Lloths, der bösen Lloth, und jetzt waren sie darauf aus, Drizzt zu töten und Mithril-Halle zu vernichten.
Bruenor hatte in der vergangenen Nacht seine Axt viele Male mit Drowblut benetzt, aber seine Wut war noch längst nicht verraucht. Tatsächlich wuchs sie sogar in einem langsamen, aber stetigen Brodeln an. Drizzt hatte versprochen, daß sie den Kopf ihres Feindes jagen würden, daß sie die Anführerin finden würden, die Priesterin, die hinter diesem Überfall steckte. Es war ein Versprechen, von dem Bruenor erwartete, daß der Waldläufer es einhielt.
Er hatte während der Vorbereitungen zum Krieg meist geschwiegen. Auch jetzt schwieg Bruenor und ließ Drizzt und den Panther vorangehen, während er seinen Platz in der Mitte seiner Freunde einnahm, wann immer sie in ein Gefecht gerieten.
In den wenigen Momenten des Friedens und der Ruhe bemerkte Bruenor mehrere besorgte Blicke, die auf ihn gerichtet wurden, und er wußte, daß seine Freunde befürchteten, daß er wieder vor sich hin brütete und nicht mit dem Herzen beim Kampf war. Nichts hätte weiter von der Wahrheit entfernt sein können. Diese kleinen Scharmützel bedeuteten Bruenor nichts. Er konnte hundert, ja tausend Soldaten der Drow töten, ohne daß dies seinen Schmerz und seine Wut besänftigen würde. Aber wenn er zu der Priesterin im Hintergrund gelangen, sie töten und der Eroberungsarmee der Drow den Kopf abschlagen könnte...
Dann würde Bruenor Frieden finden.
Der achte König von Mithril-Halle brütete nicht. Er nahm sich Zeit, um seine Energie langsam zum Sieden zu bringen. Er wartete auf den Augenblick, in dem die Rache am süßesten war.
* * *
Baenres Gruppe, zu der jetzt auch der große Glabrezu gehörte, hatte sich gerade in jene Richtung in Bewegung gesetzt, welche die Oberin Mutter durch ihren Zauber ermittelt hatte, als Methil Baenre telepathisch darüber informierte, daß die Oberinnen Auro'pol und Zeerith ständig an das Ableben ihrer Konkurrentin dachten. Wenn Zeerith keine Möglichkeit finden sollte, das untere Tor von Mithril-Halle einzunehmen, würde sie einfach einen Rückzug organisieren. Und selbst in diesem Augenblick dachte Auro'pol über die Möglichkeit nach, die gesamte Armee zur Umkehr zu bewegen und Oberin Baenre tot zurückzulassen.
Schmieden sie Pläne gegen mich? wollte Baenre wissen.
Nein, erwiderte Methil ehrlich, aber falls Ihr umkommen solltet, würden sie frohen Mutes nach Menzoberranzan zurückkehren, um eine neue Rangordnung in der Stadt zu errichten.
In Wahrheit traf Methils Information Baenre nicht unvorbereitet. Man mußte keine Gedanken lesen können, um das Unbehagen und die stille Wut in den Gesichtern der Oberinnen Mütter des Vierten und des Fünften Hauses von Menzoberranzan zu sehen. Außerdem hatte Baenre solchen Haß bereits ihr ganzes langes Leben über von so vielen erduldet, darunter auch von vermeintlichen Verbündeten wie Mez'Barris Armgo und ihren eigenen Töchtern. Das war ein Preis, mit dem eine erste Oberin Mutter des chaotischen und eifersüchtigen Menzoberranzan rechnen mußte, die Erste in einer Stadt, die ständig im Krieg mit sich selbst lag.
Auro'pols Gedanken waren zu erwarten gewesen, aber ihre Bestätigung durch den Illithiden versetzte die bereits nervöse Baenre in Wut. Schließlich betrachtete sie diesen Krieg nicht als gewöhnlichen Konflikt.
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