Die vergessenen Welten 11 - Kristall der Finsternis
hier«, erklärte er und begann sich langsam zu entfernen. »Es ist nicht weit.«
»Bleib die Nacht über bei uns«, bot ihm der Dunkelelf an.
»Meister Camlaine hat guten Proviant dabei«, fügte Regis hoffnungsvoll hinzu. Der Umstand, dass der Halbling anscheinend bereit war, die Rationen mit einem zusätzlichen Esser zu teilen, verriet Drizzt, dass Kierstaads Anliegen seinem kleinen Freund zu Herzen gegangen war.
Doch Kierstaad, der offensichtlich zu verlegen war, um wieder hinaufzugehen und Wulfgar erneut gegenüberzutreten, schüttelte nur den Kopf und schritt nach Norden in die leere Tundra hinaus. »Du solltest ihn verprügeln«, sagte Regis und schaute die Erhebung hinauf zu Wulfgar. »Und was sollte das helfen?«, fragte der Drow.
»Ich glaube, unser großer Freund könnte einen kleinen Dämpfer vertragen.«
Drizzt schüttelte den Kopf. »Seine Reaktion auf Kierstaads Berührung war genau das: eine Reaktion«, erklärte der Drow. Er begann, Wulfgars Gemütszustand ein wenig besser zu verstehen, denn Wulfgars Angriff auf Kierstaad war nicht absichtlich erfolgt. Drizzt erinnerte sich an seine Zeit in Melee-Magthere, der Kampfschule der Drow. An jenem gefährlichen Ort, bei dem hinter jeder Ecke Feinde gelauert hatten, hatte Drizzt solche Reaktionen gesehen und bei vielen Gelegenheiten selbst auf diese Weise gehandelt. Wulfgar befand sich jetzt wieder in Sicherheit und bei Freunden, doch gefühlsmäßig war er noch immer ein Gefangener Errtus, und seine ständige Verteidigungsbereitschaft gegen die Angriffe des Dämonen und seiner Helfer war noch immer vorhanden.
»Es war instinktiv, sonst nichts.«
»Er hätte sich dafür entschuldigen können«, erwiderte Regis.
Nein, das konnte er nicht, dachte Drizzt, doch er behielt seine Gedanken für sich. Dann kam ihm eine Idee, und seine Augen funkelten auf eine ganz gewisse Art und Weise, die Regis schon viele Male gesehen hatte. »Woran denkst du?«, verlangte der Halbling zu wissen.
»An Riesen«, erwiderte Drizzt mit einem verschmitzten Lächeln, »und an die Gefahr, die sie für durchziehende Karawanen darstellen.« »Du glaubst, dass sie uns in dieser Nacht überfallen werden?«
»Ich glaube, dass sie sich wieder in die Berge zurückgezogen haben und vielleicht gerade planen, einen Raubtrupp zur Straße auszuschicken«, antwortete Drizzt ehrlich. »Und wir könnten schon lange fort sein, bevor sie hier ankommen.«
»Könnten wir das?«, fragte Regis leise und studierte noch immer den Glanz in den Augen des Drows – der nicht von der tiefstehenden Sonne verursacht wurde – und die Art, wie Drizzts Blick immer wieder zu den schneebedeckten Gipfeln im Süden wanderte. »Woran denkst du?«
»Wir können nicht auf die Rückkehr der Riesen warten«, sagte der Drow. »Genausowenig kann ich aber zulassen, dass spätere Karawanen in Gefahr geraten. Vielleicht sollten Wulfgar und ich heute einen Nachtspaziergang machen.«
Regis' Mund klappte auf, und sein perplexer Gesichtsausdruck ließ Drizzt auflachen.
»Während meiner Zeit bei Montolio, dem Waldläufer, der mich ausgebildet hat, habe ich viel über das Reiten gelernt«, begann Drizzt zu erklären.
»Du hast vor, eines oder sogar alle beide Pferde des Händlers zu nehmen und damit zum Gebirge zu reiten?«, fragte Regis ungläubig. »Nein, nein«, erwiderte Drizzt. »Montolio war in seiner Jugend ein recht guter Reiter, natürlich bevor er sein Augenlicht verlor. Und die Pferde, die er zum Reiten wählte, waren die stärksten und nicht an den Sattel gewöhnt. Doch er verwendete eine Technik – er nannte sie – ›das Pferd laufen lassen‹ –, um die Tiere so weit zu beruhigen, dass sie sich lenken ließen. Er brachte sie auf ein offenes Feld hinaus und ließ hinter ihnen immer wieder die Peitsche knallen, um sie in großen Kreisen so schnell wie möglich rennen zu lassen, ja sie sollten sogar regelrecht bocken.«
»Würde das die Tiere nicht dazu bringen, sich noch unwilliger zu benehmen?«, fragte der Halbling, der wenig von Pferden verstand. Drizzt schüttelte den Kopf. »Die stärksten Pferde besitzen zu viel Energie, erklärte mir Montolio. Daher hat er sie hinausgebracht und dafür gesorgt, dass sie diesen Überschuss ablassen konnten. Wenn er sie anschließend bestieg, waren sie zwar noch immer stark und schnell, konnten aber kontrolliert werden.«
Regis zuckte mit den Achseln und akzeptierte das Gesagte. »Was hat das mit Wulfgar zu tun?«, fragte er, doch noch während er sprach,
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