Die vergessenen Welten 11 - Kristall der Finsternis
Entreri Calimhafen verlassen hatte, um den Dunkelelfen zu verfolgen, der den Untergang von Pascha Pook bewirkt hatte und angeblich in einer Zwergenstadt nicht weit von Silbrigmond lebte.
Jetzt, da seine Vermutungen in eine bestimmte Richtung wiesen, wusste Hand, dass es an der Zeit war, sich von der magischen Informationsbeschaffung abzuwenden und sich einer konventionelleren zu bedienen. Er ging auf die Straßen hinaus, zu den vielen Spionen, und öffnete die Augen von Pascha Basadonis mächtiger Gilde weit. Dann kehrte er zum Haupthaus zurück, um mit Sharlotta und Kadran zu sprechen, überlegte es sich dann jedoch anders. Sharlotta hatte wirklich die Wahrheit gesprochen, als sie gesagt hatte, dass sie Informationen über ihre Feinde haben wollte. Es war besser für Hand, wenn sie es nicht wusste.
* * *
Sein Zimmer war kaum angemessen für einen Mann, der so weit in der Hierarchie der Straße aufgestiegen war. Dieser Mann war einst ein Gildenmeister gewesen, wenn auch nur kurz, und er konnte von jedem Haus der Stadt eine gewaltige Geldsumme alleine als Vorschuss für seine Dienste fordern. Aber Artemis Entreri kümmerte die karge Möblierung der billigen Gastwirtschaft nicht, und auch nicht der Staub auf den Fensterbänken oder die Geräusche der Straßenmädchen und ihrer Kunden in den angrenzenden Räumen. Er saß auf dem Bett, dachte über seine Optionen nach und ließ all seine Handlungen, seit er nach Calimhafen zurückgekehrt war, noch einmal Revue passieren. Er war ein wenig sorglos gewesen, erkannte er, insbesondere was sein Verhalten dem dummen Jungen gegenüber anbetraf, der sich jetzt die Herrschaft über sein altes Barackenviertel anmaßte, und auch, als er dem Bettler bei Pooks altem Haus seinen Dolch gezeigt hatte. Vielleicht waren der Spaziergang und die Begegnung gar keine Zufälle gewesen, überlegte Entreri, sondern von seinem Unterbewusstsein arrangiert worden. Vielleicht hatte er sich all jenen offenbaren wollen, die genau genug hinschauten.
Aber was konnte das bedeuten? musste er sich jetzt fragen. Wie hatten sich die Strukturen der Gilden verändert, und wie würde Artemis Entreri jetzt in sie hineinpassen? Und was noch wichtiger war: An welcher Stelle wollte Artemis Entreri hineinpassen? Die Antworten auf diese Fragen kannte Entreri noch nicht, aber ihm wurde klar, dass er es sich nicht leisten konnte, herumzusitzen und darauf zu warten, dass andere ihn fanden. Er sollte zumindest versuchen, ein paar dieser Antworten herauszufinden, bevor er es mit den mächtigeren Häusern von Calimhafen zu tun bekam. Es war schon spät, Mitternacht war bereits vorüber, doch der Meuchelmörder warf sich dennoch einen dunklen Umhang über und ging hinaus auf die Straße.
Das Bild, das sich ihm bot, die Geräusche und Gerüche, erinnerten ihn an die Tage seiner Jugend, als er oft den Schutz der Nacht gesucht und das Tageslicht gescheut hatte. Noch bevor er die Straße hinter sich gelassen hatte, bemerkte er die vielen Blicke, die er auf sich zog, und er spürte, dass sie länger und forschender auf ihm ruhten, als es bei einem fremden Händler angemessen gewesen wäre. Entreri dachte an seine eigene Zeit in diesen Straßen zurück, an die Art und Weise und die Geschwindigkeit, mit der Informationen sich verbreitet hatten. Er wurde bereits beobachtet, das wusste er, und wahrscheinlich sogar von mehreren Gilden gleichzeitig. Möglicherweise hatte ihn der Wirt der Taverne, in der er sich eingemietet hatte, erkannt, oder aber einer der anderen Gäste.
Vielleicht war er einem von ihnen auch nur irgendwie verdächtig erschienen. Diese Bewohner von Calimhafens fauligem Unterbauch lebten jede Minute des Tages am Rande der Katastrophe. Daher besaßen sie eine Wachsamkeit, die über die von vielen anderen Kulturen hinausging. So wie Feldratten, die im Grasland zu Tausenden und Abertausenden in ausgedehnten Tunnelkomplexen lebten, so hatte das Volk auf Calimhafens Straßen ausgeklügelte Warnsysteme entwickelt: Rufe und Pfiffe, Kopfnicken und selbst bestimmte Körperhaltungen.
Als er die stillen Straßen entlangschritt, ohne dass seine Schritte irgendein Geräusch machten, wusste Entreri mit Bestimmtheit, dass sie ihn beobachteten.
Es war an der Zeit, dass er selbst ein paar Nachforschungen anstellte – und er wusste auch, wo er anfangen konnte. Ein paar Kreuzungen weiter erreichte er die Paradiesgasse, einen besonders schäbigen Ort, an dem berauschende Kräuter ebenso offen verkauft wurden wie Waffen,
Weitere Kostenlose Bücher