Die vergessenen Welten 11 - Kristall der Finsternis
tun«, erklärte er. »Und mit der Gefahr, in der Guenhwyvar steckte.«
»Nichts«, verkündete Bruenor. »Überhaupt nichts. Kein Zorn, als er den Hammer hob, um ihn auf die Riesen zu schleudern.«
»Der Krieger unterdrückt seinen Zorn, um die Kontrolle über sich zu behalten«, meinte der Drow.
»Pah, so war das nicht«, erwiderte Bruenor. »Ich habe meinen Jungen wütend gesehen, als er auf der Eisinsel gegen Errtu gekämpft hat, wütender, als meine Augen jemals jemanden gesehen haben. Und ich wünschte, ich würde diese Wut wieder sehen. Zorn, Wut, sogar Angst!«
»Ich habe ihn gesehen, als ich zu dem Kampf stieß«, meinte Regis. »Er wusste nicht, dass der neue und gigantische Riese ein Verbündeter war. Wenn er das nicht gewesen wäre, wenn er sich den anderen Riesen angeschlossen hätte, dann wäre Wulfgar so gut wie tot gewesen, denn er hatte auf seinem, offenen Vorsprung keinerlei Schutz vor uns. Und dennoch hatte er überhaupt keine Angst. Er schaute direkt zu dem Riesen herauf, und alles, was ich sah, war…« »Resignation«, beendete der Drow den Satz für ihn. »Das Hinnehmen von allem, was das Schicksal ihm entgegenschleudern mochte.« »Ich verstehe das alles nicht«, gab Bruenor zu.
Drizzt hatte keine Antworten für ihn. Er hatte natürlich seine Befürchtungen, dass Wulfgars Trauma zu groß war, dass es ihm seine Hoffnungen und Träume gestohlen hatte, seine Leidenschaften und Ziele, aber er fand keine Worte, mit denen er dies dem von Grund auf pragmatischen Zwerg hätte erklären können. Er fand es auf gewisse Weise ironisch, denn das naheliegendste Beispiel für ein solches Verhalten war das von Bruenor selbst, nachdem Wulfgar der Yochlol zum Opfer gefallen war. Der Zwerg war in seiner Trauer tagelang ziellos durch die Gänge gelaufen.
Ja, erkannte Drizzt, das war das Schlüsselwort. Wulfgar trauerte.
Bruenor würde es niemals verstehen, und Drizzt war sich nicht einmal sicher, ob er selbst es verstand.
»Zeit zu gehen«, meinte Regis und riss den Dunkelelfen aus seiner Grübelei. Drizzt blickte erst den Halbling und dann den Zwerg an. »Camlaine hat uns zu einem Knochenspiel eingeladen«, erklärte Bruenor. »Komm mit, Elf. Deine Augen sehen besser als die der meisten anderen, und ich brauche dich vielleicht.«
Drizzt warf einen Blick zu dem Feuer hinüber, an dem Wulfgar und Catti-brie sehr dicht nebeneinander saßen und miteinander redeten. Er bemerkte, dass nicht nur Catti-brie sprach. Sie hatte Wulfgar irgendwie in ein Gespräch gezogen, hatte ihn sogar ein wenig belebt. Ein großer Teil von Drizzt wollte hierbleiben und jede Bewegung der beiden beobachten, aber er würde seiner Schwäche nicht nachgeben und ging daher mit Bruenor und Regis, um bei dem Knochenspiel zuzuschauen.
* * *
»Du kannst dir unseren Schmerz nicht vorstellen, als wir sahen, wie die Höhlendecke über dir zusammenbrach«, sagte Catti-brie, als sie ihre Unterhaltung sanft auf jenen schicksalhaften Tag in den Tiefen von Mithril-Halle lenkte. Bislang hatten sie und Wulfgar über glücklichere Erinnerungen an frühere Kämpfe gesprochen, in denen die Gefährten Ungeheuer besiegt und Bedrohungen überwunden hatten, ohne einen solch hohen Preis dafür zu zahlen.
Wulfgar hatte sich an der Unterhaltung beteiligt und von seinem ersten Kampf mit Bruenor – gegen Bruenor – erzählt, als er die Stange seiner Standarte auf dem Kopf des Zwergen zerbrochen hatte, nur um von der sturen kleinen Kreatur die Beine unter dem Leib weggefegt zu bekommen und bewusstlos auf dem Schlachtfeld zurückgelassen zu werden. Als das Gespräch weiterging, steuerte Catti-brie auf einen weiteren, entscheidenden Punkt hin: das Schmieden von Aegisfang. Was für eine Liebesmüh das gewesen war, der Höhepunkt von Bruenors beachtlicher Karriere als Schmied, und einzig aus der Zuneigung des Zwerges zu Wulfgar erschaffen. »Wenn er dich nicht so geliebt hätte, hätte er niemals eine so großartige Waffe erschaffen können«, hatte sie erklärt. Als sie sah, dass ihre Worte zu dem gepeinigten Mann durchdrangen, hatte sie das Thema ihres Gespräches erneut behutsam verlagert und darüber gesprochen, wie ehrfurchtsvoll Bruenor den Kriegshammer nach Wulfgars scheinbarem Tod behandelt hatte. Und dies hatte Catti-brie natürlich zu dem Tag von Wulfgars Untergang geführt, zu der Erinnerung an die bösartige Yochlol.
Zu ihrer großen Erleichterung hatte Wulfgar sich nicht zurückgezogen, als sie die Unterhaltung in diese Richtung steuerte,
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