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Die Vergessenen Welten 12 - Schattenzeit

Die Vergessenen Welten 12 - Schattenzeit

Titel: Die Vergessenen Welten 12 - Schattenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. Salvatore
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ließ sie sich zugleich lebendig fühlen.
    Es war eine der kleinen Ironien des Lebens, dass die gleiche Fröhlichkeit, die durch die Begegnung mit dem mürrischen Jaka nach außen drängte, die Augen eines anderen auf ihre glückliche Gestalt lenkte.
    Lord Feringal Aucks Herz hatte in den vierundzwanzig Jahren seines Lebens beim Anblick von vielen verschiedenen Frauen schneller geschlagen, hauptsächlich Töchter von Händlern, die auf der Suche nach einem sicheren Stützpunkt nordwestlich von Luskan waren. Das Dorf befand sich nahe des am meisten benutzten Passes über den Grat der Welt, und hier konnten sich die Reisenden auf dem gefahrvollen Weg von oder nach Zehn-Städte im Eiswindtal erholen und neuen Proviant aufnehmen.
    Nie zuvor war es Feringal so schwer gefallen, seinen Atem zu beruhigen wie jetzt, da er praktisch keuchend aus dem Fenster seiner Kutsche hing.
    »Feri, die Kiefern haben begonnen, ihren gelben Staub in den Wind zu schicken«, erklang die Stimme von Priscilla, Feringals älterer Schwester. Sie war die Einzige, die ihn, zu seinem ewig währenden Ärger, Feri nannte. »Komm in die Kutsche zurück! Der Staub bringt einen ständig zum Niesen. Du weißt, wie schrecklich …«
    Die Frau unterbrach sich und musterte ihren Bruder genauer, insbesondere sein stieres Glotzen. »Feri?«, fragte sie, rutschte auf ihrem Sitz zu ihm hinüber, ergriff ihn am Ellenbogen und rüttelte daran. »Feri?«
    »Wer ist das?«, fragte der Lord von Auckney und hörte seine Schwester nicht einmal. »Wer ist diese engelsgleiche Kreatur, dieses Abbild der Göttin der Schönheit, diese Verkörperung des reinen Begehrens jeden Mannes, dieses Sinnbild der Verlockung?« Priscilla schob ihren Bruder zur Seite und steckte den Kopf aus dem Kutschenfenster. »Was, das Bauernmädchen?«, fragte sie ungläubig, und es klang unverkennbar Verachtung in ihrer Stimme mit.
    »Ich muss es wissen«, sang Feringal mehr, als dass er es sagte. Er lehnte den Kopf an den Rand des Fensters und richtete seinen Blick starr auf die hüpfende junge Frau. Er verlor sie aus den Augen, als die Kutsche einer Biegung des sich windenden Weges folgte. »Feri«, schimpfte Priscilla. Sie setzte dazu an, ihren jüngeren Bruder zu schlagen, hielt sich aber im letzten Moment zurück. Der Lord von Auck schüttelte seine liebeskranke Lethargie lange genug ab, um seiner Schwester direkt und sogar gefährlich in die Augen zu schauen. »Ich muss erfahren, wer sie ist«, beharrte er. Priscilla Auck lehnte sich wieder in ihrem Sitz zurück und sagte nichts mehr, obwohl der uncharakteristische Gefühlsausbruch ihres jüngeren Bruders sie sichtlich aus der Fassung gebracht hatte. Feringal war immer eine sanfte, ruhige Seele gewesen, die von seiner scharfzüngigen, fünfzehn Jahre älteren Schwester problemlos manipuliert werden konnte. Priscilla, die sich jetzt ihrem vierzigsten Geburtstag näherte, hatte nie geheiratet. Tatsächlich hatte sie außer der Befriedigung ihrer körperlichen Bedürfnisse nie Interesse an einem Mann gehabt. Die Mutter der beiden war bei Feringals Geburt gestorben, und ihr Vater verschied fünf Jahre später, so dass Priscilla, gemeinsam mit Temigast, dem Berater ihres Vaters, die Regentschaft über das Lehen innehatte, bis Feringal alt genug war, um zu regieren. Priscilla hatte dieses Arrangement immer genossen, denn selbst nachdem Feringal volljährig geworden war, und sogar jetzt noch, fast ein Jahrzehnt später, hatte ihre Stimme bedeutendes Gewicht in der Regierung von Auckney. Sie hatte nie das Bedürfnis verspürt, jemand Neues in die Familie zu holen, und daher angenommen, dies ginge Feri ebenso.
    Mit düster gerunzelter Stirn schaute Priscilla noch ein letztes Mal in die ungefähre Richtung des jungen Mädchens zurück, obgleich sie sich bereits längst außer Sichtweite befanden. Ihre Kutsche rumpelte über die kleine Steinbrücke, die in einem Bogen zu der geschützten Bucht führte, wo sich Burg Auck auf einer winzigen Insel erhob. Die Burg war ebenso einfach gebaut wie Auckney selbst, das ein Dorf mit zweihundert Bewohnern war und nur auf wenigen Karten überhaupt auftauchte. Es gab ein Dutzend Zimmer für die Familie, und natürlich für Temigast, und fünf weitere für das halbe Dutzend Diener und die zehn Soldaten, die hier beschäftigt waren. Zwei niedrige und gedrungene Türme verankerten die Burg und erreichten eine Höhe von kaum fünf Metern. Der Wind blies in Auckney stets heftig. Ein alter Witz besagte, dass alle

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