Die vergessliche Mörderin
anzuschwärzen. Meist spielt es keine Rolle, aber gelegentlich treten sie in zu viele Fettnäpfchen oder veröffentlichen das Falsche, und dann müssen wir die Sache ausbaden und die alten Knacker zum Schweigen bringen. Und die haben manchmal Haare auf den Zähnen! Aber darüber kannst du bei Special Branch mehr erfahren. Ein paar von ihnen haben Unterlagen aufgehoben, die längst vernichtet gehörten. Viel ist wohl nicht dran, aber eine ausländische Macht soll sich lebhaft dafür interessieren.«
Poirot seufzte tief auf.
»Das war nicht das, was du wissen wolltest, wie?«
»Oh, ich bin froh, dass du mir zu offiziellen Informationen verholfen hast, aber leider war für mich zu wenig Neues dabei.« Er seufzte noch einmal und fragte dann: »Was würdest du davon halten, wenn dir jemand beiläufig erzählt, dass eine bestimmte Frau – eine junge, hübsche Frau – eine Perücke trägt?«
»Da ist doch nichts dabei. Meine Frau trägt auf Reisen oft eine. Sie findet es sehr praktisch.«
»Nichts für ungut«, sagte Hercule Poirot.
Beim Abschied erkundigte sich Chefinspektor Neele: »Hast du die Unterlagen über den Selbstmordfall in dem Wohnblock bekommen, die du haben wolltest? Ich hab sie dir geschickt.«
»Ja, danke. Aber eben nur das offizielle Protokoll…«
»Dazu ist mir eben noch was eingefallen. Du hast mich doch nach Reece-Holland gefragt. Der lässt auch nichts anbrennen, sieht sich aber höllisch vor. Louise Charpentier ist eine Zeit lang seine Geliebte gewesen, das war’s.«
»Eine feste Bindung?«
»Glaub ich nicht. Sie waren gemeinsam in zweifelhaften Bars und so – auf solche Dinge müssen wir ja ein Auge haben. In die Presse ist allerdings nie was gekommen. Es hat eine ganze Weile gedauert, ein halbes Jahr sicher. Aber vermutlich war sie nicht die Einzige; und er bei ihr auch nicht. Du siehst nicht so aus, als könntest du damit viel anfangen, Poirot.«
Poirot hob die Schultern. Als er in den Lift trat, dachte er: Immerhin, es ist ein weiteres Glied. Jetzt weiß ich, warum McFarlane so gestottert hat. Wahrscheinlich ist es nicht von Bedeutung. Aber trotzdem… Ach, ich weiß einfach zu viel, sagte sich Poirot ärgerlich. Ich weiß zu viel. Von allen weiß ich etwas, aber die Hälfte davon ist unbrauchbar. Ich brauche das Muster!
»Ein Königreich für ein Muster!«, sagte er plötzlich laut.
»Wie bitte, Sir?« Der Fahrstuhlführer sah ihn verdutzt an.
»Oh, nichts.«
18
P oirot blieb im Eingang zur Wedderburn-Galerie stehen, um ein Bild zu betrachten, auf dem drei bösartig aussehende, überdimensionale Kühe von einem komplizierten Windmühlenmotiv überragt wurden.
»Interessant, nicht wahr?«, fragte eine einschmeichelnde Stimme. Dicht neben ihm tauchte ein Mann auf, dessen Lächeln eine fast abnorme Menge schneeweißer, schöner Zähne frei gab. »Es strahlt so viel Frische aus!« Er hatte große, blasse, plumpe Hände, mit denen er durch die Luft wedelte. »Das war eine interessante Ausstellung. Aber sie wurde letzte Woche geschlossen. Vorgestern haben wir die Claude-Raphael-Ausstellung eröffnet. Die wird ein großer Erfolg werden. Ein sehr großer Erfolg.«
»Ach«, entgegnete Poirot einsilbig, während er durch einen grauen Samtvorhang in einen lang gestreckten Raum geführt wurde. Der dickliche Mann war ein geschickter Verkäufer. Sofort vermittelte er Poirot das Gefühl, ein willkommener Gast zu sein, der den ganzen Tag in der Galerie bleiben konnte, auch wenn er nichts kaufte und einfach nur die Bilder betrachtete.
Da nun freundliche Beziehungen hergestellt waren und offenbar Zeit in Hülle und Fülle zur Verfügung stand, sagte Poirot: »Arbeitet nicht Miss Frances Cary bei Ihnen?«
»Ja. Frances ist sehr tüchtig und hat viel Kunstverstand. Sie ist selbst eine gute Malerin, aber eben doch nicht Spitzenklasse. Das Geschäftliche liegt ihr mehr. Das weiß sie wohl auch selbst.«
»Ich habe gehört, dass sie sich um die Maler bemüht?«
»O ja, besonders um Les Jeunes. Sie fördert sie sehr. Im Frühjahr hat sie mich überredet, eine Gruppe junger Künstler auszustellen. Wir haben gute Kritiken gehabt und recht ordentlich verkauft. Ja, sie hat einige besondere Schützlinge.«
»Ach, wissen Sie, ich bin ein bisschen altmodisch. Manche von diesen jungen Männern sind mir einfach…« Poirot hob die Hände.
»Sie dürfen nicht nach Äußerlichkeiten urteilen.« Boscombe lächelte nachsichtig. »Solche Moden wie Bärte und Blue Jeans oder Brokat und lange Locken
Weitere Kostenlose Bücher