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Die Verlassenen

Die Verlassenen

Titel: Die Verlassenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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also Studentin?“
    „Ich schreibe gerade an meiner Masterarbeit und mache gleichzeitig noch ein Praktikum am Milton H. Farrante Psychiatric Hospital.“
    Sie konnte förmlich hören, wie es in seinen Hirnwindungen zu arbeiten begann. Orientierungsloses Mädchen allein auf einem alten Friedhof ...
    „Ich habe Psychologie als Hauptfach“, fügte sie hinzu.
    „Aha.“ Er sagte es so, als erklärte das alles. „Haben Sie auch einen Namen?“
    „Ree Hutchins.“
    „Ich heiße Hayden Priest. Habe gerade mein Jurastudium abgeschlossen und bin somit Rechtsanwalt in spe, wenn – falls – ich die Zulassung in South Carolina bekomme.“ Vorsichtig machte er ein paar Schritte auf sie zu. Als sie nicht zurückwich, streckte er ihr die Hand hin, und zögernd gab sie ihm die ihre. Ein elektrischer Schlag fuhr ihr durch den Arm, und sie fühlte sich leicht benommen durch die Berührung. Verlegen ließ sie seine Hand los und hielt ihr Oberteil vorne fest, das sie bis zum Hals zugeknöpft hatte. Dabei war es im Grunde schon etwas zu spät für Schamhaftigkeit, wenn man bedachte, dass er sie bereits halb nackt gesehen hatte. Ree ertappte sich tatsächlich dabei, wie sie darüber nachdachte, was für einen Eindruck sie wohl auf ihn gemacht hatte. Du Idiotin .
    Er blinzelte ins Mondlicht. „Trauen Sie mir immer noch nicht?“
    „Ich bin mir noch nicht im Klaren.“ Doch warum hatte sie ihm dann ihren Namen verraten und wo sie arbeitete? Warum gab sie ihm nicht gleich eine schriftliche Einladung, ihr nachzustellen? Immerhin war sie so klug gewesen, ihm nur ungefähre Angaben darüber zu machen, wo sie wohnte. Was ihr allerdings auch nicht viel half, wenn sie jetzt zu ihm in den Wagen stieg und sich von ihm nach Hause bringen ließ und/oder wenn sich herausstellte, dass er ein Serienmörder war.
    Sie ließ den Blick über den alten Friedhof wandern. Wo der Nebel sich lichtete, konnte sie steinerne Gesichter im Mondlicht leuchten sehen. Die leeren Augen bereiteten ihr Unbehagen.
    Sie fröstelte. „Was machen Sie eigentlich hier draußen?“, fragte sie ihn.
    Er kratzte sich am Oberarm. „Ich arbeite an einem Projekt.“
    „Und an was für einem Projekt?“
    „Ich führe ein paar Testreihen durch. Am Institut für Parapsychologie in Charleston. Haben Sie schon einmal davon gehört?“
    Jetzt wurde Ree hellhörig. „Sie sind ein Geisterjäger?“
    „Die Bezeichnung paranormaler Ermittler ist mir lieber. Geisterjäger klingt so einseitig, und ich habe absolut nichts dagegen, auch Vampire und Werwölfe aufzuspüren; sogar Zombies wären mir recht, wenn es sich so ergibt.“
    Eine eisige Kälte kroch ihr über den Rücken, obwohl sie wusste, dass er scherzte. Also ... sie hoffte zumindest, dass er scherzte. „Ist das nicht eine etwas seltsame Nebenbeschäftigung für einen Rechtsanwalt?“
    „Für einen angehenden Rechtsanwalt. Die Gerichte legen größten Wert auf diese Unterscheidung.“
    „Sie sind also hier auf dem Friedhof, um nach Geistern Ausschau zu halten?“
    „Um nach Geistern zu horchen . Da ist ein Unterschied.“
    „Und? Haben Sie irgendetwas gehört?“, fragte sie ängstlich. „Stimmen, Musik ... Sprechgesang ...“
    „Sprechgesang?“ Er trat einen Schritt auf sie zu. Trotz seines lässigen Auftretens hatte er einen sehr festen Blick. „Das wäre allerdings etwas Interessantes, aber nein. Ich habe nicht einmal ein Flüstern gehört. Keine EVPs, sprich, keine elektronischen Stimmphänomene, keine Ausschläge in den EMF-Anzeigen, also den elektromagnetischen Feldern, keine Schwankungen in der Temperatur, nichts auf dem K2-Messer oder auf der Geisterbox. Nichts, nada, zero, null.“
    „Warum lassen Sie es dann nicht bleiben?“
    „Weil hier etwas ist.“ Er senkte die Stimme, und Ree merkte, dass er zu zittern begann vor Erregung. „Spüren Sie es nicht? Es ist wie ein Echo ... eine Vibration ...“
    Und ob Ree etwas spürte, wenn er sie so ansah. „Aber keine Geister“, sagte sie.
    Er zuckte mit den Achseln.
    „Vielleicht können Sie die Geister nicht hören, weil es keine gibt.”
    „Eine Ungläubige also?”
    „Haben Sie schon mal einen gesehen?”
    „Nein“, gab er zu.
    „Einen gehört?“
    „Darüber lässt sich streiten.”
    „Und trotzdem glauben Sie daran.“
    Er sagte nichts dazu, blickte nur zu ihr hinunter. Im Licht des Mondes sah er blass aus und sehr geheimnisvoll. Unwillkürlich begann Ree zu zittern.
    „Erzählen Sie mir von Ihrem Traum“, bat er sie

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