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Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorene Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Martin
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nahm. Sie war noch nie Auto gefahren. Gleich darauf fragte sie sich, ob es schicklich war, was sie da tat. Da brummte auch schon der Motor auf. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
    Für einen Moment dachte Claire, sie müsse wie Lots Frau zu einer Salzsäule erstarren. Seit sie das herrschaftliche Haus der Neubergers betreten hatte, ließ sie die schwarz gekleidete Dame am Ende der Treppe nicht aus den Augen.
    »Sie sind also Claire Mylius«, sagte sie nach einer Zeit, die Claire wie die Ewigkeit vorkam.
    Das ist Nora Neuberger, hämmerte es in ihrem Kopf, Nora Neuberger, Wills und Johannes Mutter. Sie nahm allen Mut zusammen und ging auf die ältere Frau zu, die nun gleichermaßen auf sie zu schritt. Als sie sich beide gegenüberstanden, streckte sie die Hand aus.
    »Guten Tag, Frau Neuberger. Ich freue mich, Sie kennenzulernen.«
    »Ganz meinerseits, Fräulein Mylius.« Frau Neuberger drückte ihre Hand kurz, ohne die Miene zu verziehen. »Man hat mir schon viel von Ihnen erzählt.«
    Danach hatte Claire nichts mehr zu sagen gewusst, aber Frau Neuberger hatte sich ohnehin schon wieder abgewandt und ihr mit einer Handbewegung bedeutet, ihr zu folgen.
    Wer hat von mir erzählt?, fragte sich Claire aufgeregt, während sie den Blick auf den feinen Seidenstoff von Frau Neubergers Kleid gerichtet hielt. Johanne? Diesen Gedanken verwarf sie sofort wieder. Die Freundin wechselte nur die nötigsten Worte mit ihren Eltern. Will? Sie blickte ihn kurz von der Seite an und versuchte, sich den gestandenen Mann im Gespräch mit seinen Eltern vorzustellen, kam aber auch hier zu keinem Schluss.
    Im Salon hatte das Mädchen Kaffee und Kuchen aufgetischt, einen Frankfurter Kranz, Claires Lieblingskuchen, von dem sie aber zu ihrem Leidwesen kaum einen Bissen herunterbekam.
    »Sie essen nicht gut?«, fragte Frau Neuberger unvermittelt und mit doch erstaunlich scharfer Stimme und verlor dabei doch nie ihren damenhaften Ausdruck.
    »Aber doch, ich …«, stotterte Claire.
    Wo war Will nur hin verschwunden? Er hatte sich mit einem Küsschen von seiner Mutter verabschiedet, als sie den Salon betreten hatten. Wann, um Himmels willen, gedachte er, sie aus dieser misslichen Lage zu befreien? Sie machte sich doch ohnehin nur lächerlich, aber das hatte sie ja gleich gewusst.
    Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr später, dass sie kaum eine Stunde gemeinsam mit Frau Neuberger verbracht hatte. Claire war es wie Tage vorgekommen, und sie hätte vor Erleichterung auflachen können, als sich Wills und Johannes Mutter am Ende mit ihrer Wohltätigkeitsarbeit entschuldigen ließ.
    »Vielleicht«, sagte Nora Neuberger, als sie sich in der Tür noch einmal umdrehte, »werden Sie mich ja auch einmal begleiten wollen?«
    Claires erster Impuls war es gewesen, »Ja, vielleicht« zu antworten, doch es war ihr gelungen, ihre Gesichtszüge in einem Lächeln zu arrangieren. »Ja, gerne«, hatte sie geantwortet und zum ersten Mal den Eindruck gehabt, etwas richtig getan zu haben.

Z weites Kapitel
    »Meine Güte, diese Claire Mylius ist nun wirklich ein sehr einfaches Ding«, sagte Frau Neuberger, als sie an einem der nächsten Abende gemeinsam mit Vater und Sohn den Tag im Salon ausklingen ließ. »Habt ihr sie denn wirklich gut überprüft? Ist sie die Richtige? Wie soll solch ein schüchternes Mädchen unser Haus repräsentieren?«
    »Aber natürlich habe ich sie überprüft!«
    Gelangweilt und auch etwas gereizt nippte Wilhelm an seinem Cognac, hielt das Glas dann etwas entfernt von sich und schwenkte den Alkohol behutsam hin und her.
    Von seinem Platz im Lehnsessel aus mischte sich Vater Constantin Neuberger in das Gespräch zwischen Mutter und Sohn.
    »Der Vater betreibt tatsächlich ein gut laufendes Geschäft, ein Wunder in unseren Zeiten. Außerdem gibt es auf der Bank ein Guthaben auf ihren Namen. Solides Gold, wenn man mich richtig informiert hat. Bei Volljährigkeit wird sie darauf Zugriff haben.«
    »… oder ihr Mann. Oh, Constantin«, gurrte Nora und verlor für einen Moment lang ihren steifen, damenhaften Ausdruck, »wie hast du das nur wieder herausgekriegt?«
    Constantin lächelte zufrieden. »Man hat doch immer noch seine Kontakte, nicht wahr? Nützliche Kontakte. Ich wusste immer, wann ich zuschlagen muss.« Seine Miene wurde wieder ernst. »Ich hoffe, es ist euch bewusst, dass wir uns keinen Fehler leisten können. Die Firma …«
    »Das ist uns nur sehr wohl bewusst«, fuhr Wilhelm dazwischen. »Wenn du unser Geld nicht völlig sinn- und ziellos

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