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Die verlorene Koenigin

Die verlorene Koenigin

Titel: Die verlorene Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frewin Jones
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Sprungfedern und eingebauten Messinstrumenten.
    Ihr Vater bückte sich mit ausgebreiteten Armen, als Flora über den nackten Holzboden auf ihn zurannte. Sie sprang in seine Arme, und er hob sie hoch und drückte sie an sich. Er roch nach Chemikalien und Rauch, aber das machte Flora nichts aus.
    »Und was will mein hübsches kleines Mädchen von ihrem müden alten Papa?«, fragte er.
    »Ich wollte Gute Nacht sagen, bevor ich ins Bett gehe«, sagte Flora und wischte mit einem Zipfel ihres Ärmels einen Schmutzfleck von der Nase ihres Vaters. »Und Mutter lässt ausrichten, dass du nicht die ganze Nacht mit deinen dummen Experimenten verbringen sollst, sonst wirst du noch krank.«
    »Dann beende ich nur noch, woran ich gerade arbeite, und mach dann Feierabend. Na, was hältst du davon?«
    »Sehr vernünftig«, lobte Flora. »Jetzt gib mir einen Gutenachtkuss und lass mich runter. Mutter hat versprochen, dass sie mir noch etwas vorliest, wenn ich brav wie ein Lämmchen ins Bett gehe.« Sie legte den Kopf schief und blickte ihrem Vater ins Gesicht. »Wir lesen nämlich gerade ein sehr gutes Buch. Es geht um ein Mädchen namens Alice. Es wurde von einem Herrn geschrieben, der Lewis Carroll heißt. Mutter sagt, M r Carroll sei Mathemagier.«
    »So?«, schmunzelte ihr Vater und setzte sie ab. »Und du bist ganz sicher, dass du nicht ›Mathematiker‹ meinst?«
    Flora dachte kurz nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, Mutter hat eindeutig gesagt, er sei ein Mathe-Magier.«
    Mit einem Lächeln richtete sich ihr Vater auf. »Gut«, sagte er. »Deine Mutter wird es wissen.«
    »Gute Nacht, Papa«, rief Flora im Hinausrennen.
    »Gute Nacht, mein Engel«, rief er ihr nach.
    Während sie die Stufen hinuntertrippelte, begann sich die Welt zu drehen, alle Gegenstände verschwammen vor ihren Augen und es wurde dunkel.
    Als Tania kühle klare Luft spürte, kam sie wieder zu sich.
    Sie stand plötzlich wieder draußen vor dem Haus und lehnte am Geländer. Sie blickte zur Steintreppe hinauf und nahm erst jetzt die blaue Tafel neben der Tür wahr:
    Ernest Llewellyn,
berühmter Amateurwissenschaftler,
wohnte hier 1851–1869.
    »Sie ist also nicht gestorben«, flüsterte Tania tonlos. »Sie war nicht mal kran k …«
    »Tania!« Zara riss sie aus ihren Gedanken. »Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
    Tania erschrak. Sie hatte Drake und die Grauen Ritter völlig vergessen.
    »Was ist mit dir geschehen?«, fragte Zara. »Du schienst entrückt!«
    »Ich erkläre es dir später«, meinte Tania. »Lass uns zuerst zu Jade gehen.«
    Sie fassten sich wieder an den Händen und liefen los, in Richtung der aufgehenden Sonne.

XVII
    » N ein! Geh weg! Lass mich in Ruhe! Nein!«
    »Tania, wach auf! Ich bin’s. Es war alles nur ein Traum.«
    Tania schrak hoch, als würde sie aus tiefem, dunklem Wasser auftauchen: Sie rang nach Atem, war schweißgebadet und warf irre Blicke um sich. Sie lag in einem Bett. Edric saß auf der Kante, beugte sich über Tania und hielt ihre Arme fest, mit denen sie wild um sich geschlagen hatte.
    Sie starrte wütend in sein besorgtes Gesicht und hätte ihm am liebsten mit den Nägeln das Gesicht zerkratzt, nur um den kalten Silberschein in seinen bösen Augen ein für alle Mal auszulöschen.
    Silberne Augen? Nein! Nein! Braune Augen sahen sie an. Warme kastanienbraune Augen. Sie stöhnte und atmete stoßweise, während sie langsam aus der Traumwelt zurückkehrte.
    »Hörst du jetzt endlich auf, mich zu schlagen?«, fragte er sanft.
    »Ja«, stieß sie keuchend hervor.
    Er ließ ihre Handgelenke los.
    »Ich dachte, du wärst Gabriel«, sagte sie.
    »Das habe ich mir gedacht.« Er strich ihr eine feuchte Strähne hinters Ohr. »Jetzt ist ja alles gut. Es ist vorbei.«
    »Wirklich?«, zweifelte sie. »Er ist da, Edric, jedes Mal, wenn ich einschlafe. Er ist da und wartet auf mich.« Sie stützte sich schwerfällig auf die Ellbogen und blickte verwirrt umher, bis ihr einfiel, dass sie sich ja in Jades Zimmer im Haus der Andersons befand. »Wie spät ist es?«
    »Kurz nach Mittag«, erwiderte Edric. »Du hast sechs Stunden geschlafen. Ich habe etwas zum Frühstück eingekauft.«
    Tania sah besorgt aus. »Hat dich jemand gesehen?«
    »Ich glaube nicht«, beruhigte er sie.
    »Sag den anderen, sie dürfen das Haus unter keinen Umständen verlassen. Außerdem sollen sie von den Fenstern wegbleiben. Wenn einer der Nachbarn hier Leute sieht, haben wir ganz schnell die Polizei am Hals.«
    »Das habe ich ihnen schon gesagt«,

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