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Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Titel: Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckart Klessmann
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Vernichtung Moskaus lasse auf wenig friedliche Stimmung schließen; je mehr die Jahreszeit vorschreite, um so günstiger seien die Aussichten für Rußland; kurz, es sei unwahrscheinlich, daß man seine eigene Hauptstadt verbrannt hätte, um dann auf ihren Trümmern Frieden zu schließen.
    ›Wollen Sie nach Petersburg gehen? Sie werden mit Kaiser Alexander sprechen. Ich gebe Ihnen einen Brief mit, und Sie werden den Frieden abschließen.‹
    Ich erwiderte, eine solche Mission wäre ganz zwecklos, denn man werde mich nicht empfangen. Nun setzte der Kaiser eine heitere, wohlwollende Miene auf; er meinte, ich wüßte nicht was ich da sagte. Der Zar würde von der guten Gelegenheit zu Verhandlungen um so eifriger Gebrauch machen, als sein Adel, der durch den Krieg und durch den Brand von Moskau ruiniert sei, den Frieden wünsche; er wisse das bestimmt.›Diese Brandstiftung ist eine Wahnsinnstat, deren sich ein Rasender vielleicht an dem Tage rühmen könnte, wo er den Befehl dazu gegeben, die er aber am nächsten Tage bereut. Der Zar sieht sehr gut, daß seine Generale unfähig sind, daß die besten Truppen unter solchen Führern nichts ausrichten.‹ Und er drängte mich von neuem mit seinen Argumenten, um mich zu überzeugen und zur Annahme des Auftrags zu bestimmen. Vergeblich wandte ich alles früher Gesagte dagegen ein. Der Kaiser erwiderte, ich sei im Irrtum; er habe soeben Nachrichten aus Petersburg erhalten, daß man dort in großer Hast packe, daß der kostbarste Besitz schon ins Innere des Landes und sogar nach England abgeschickt worden sei. Der Zar mache sich keine Illusionen; er sehe, wie seine Armee geschwächt und entmutigt sei, während die französische in der Lage sei, sofort auf Petersburg zu marschieren. Die Jahreszeit sei noch gut; durch einen solchen Marsch wäre das russische Kaiserreich verloren. Alexander sei besiegt und in großer Bedrängnis; er werde bereitwillig auf unsere Eröffnung eingehen, da sie ihm einen Weg biete, um sich ehrenvoll aus seiner schlimmen Lage zu ziehen.
    Als er sah, daß er mich nicht überreden konnte, fügte der Kaiser hinzu: Alle, die in Rußland gewesen wären, und ich zuerst, hätten ihm allerlei Märchen erzählt über das Klima. Dann begann er aufs neue zu drängen. Vielleicht glaubte er, meine Ablehnung rühre nur von einer gewissen Scheu her, mich in einem, Augenblick, da Rußland so verwüstet dalag, in Petersburg zu zeigen, wo ich so gut behandelt worden war. Daher sagte er: ›Nun gut! Gehen Sie nur bis zum Hauptquartier des Marschalls Kutusow!‹ – Ich erwiderte, das werde ebensowenig nutzen: ich erinnerte mich an das, was der Kaiser Alexander mir zu anderer Zeit gesagt; ich kennte seinen Charakter und müsse die Mission, die man mir anvertrauen wolle, ablehnen, weil ich sicher sei, daß er nicht in seiner Hauptstadt Frieden schließen werde. Ein solcher Schritt unserseits müsse ergebnislos bleiben, und es sei daher besser, ihn nichterst zu tun. Der Kaiser drehte mir kurz den Rücken und sagte: ›Gut, dann werde ich Lauriston schicken. Dann wird ihm die Ehre zufallen, den Frieden geschlossen und Ihrem Freunde Alexander die Krone gerettet zu haben!‹«
    General Lauriston begab sich daraufhin tatsächlich ins russische Hauptquartier. Kutusow empfing ihn zwar, ließ ihn aber nicht nach Petersburg reisen, da er kein Schreiben Napoleons vorweisen konnte. Statt dessen schickte der russische Feldherr einen seiner Leute, Fürst Wolkonski, zum Zaren, um ihn über die Mission Lauristons zu informieren. Alexander reagierte darauf sehr ungehalten und untersagte Kutusow und seinen Generalen des weiteren kategorisch jegliche Verhandlung mit dem Feind. Doch auch diese Abfuhr seines Sondergesandten hielt Napoleon nicht davon ab, sich weiter Illusionen hinzugeben: »›Der Kaiser Alexander ist starrköpfig‹«, erklärte er Caulaincourt. »›Er wird es noch bereuen. So gute Bedingungen, wie ich sie ihm jetzt gewährt hätte, wird er nie wieder erhalten. Er hat sich schon durch die Niederbrennung seiner Städte und seiner Residenz selbst so viel Schaden zugefügt, daß ich kaum noch etwas von ihm zu verlangen habe. So teuer wäre ihm die Konfiszierung der englischen Schiffe nicht zu stehen gekommen. Wenn die Polen sich nicht in Massen erheben, um sich gegen die Russen zu verteidigen, hat Frankreich genug Opfer für sie gebracht, so daß ich damit ein Ende machen und Frieden schließen könnte, allerdings, indem ich auf ihre besonderen Interessen Rücksicht nehme. Ich

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