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Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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Laurels großartiger Theorie. »Die gute Lady Gwendolyn hatte mal eine Schwester. Die beiden waren als Kinder ein Herz und eine Seele. Sie wohnten in dem Haus in der Campden Grove und waren unzertrennlich. Aber damit war es vorbei, als die jüngere Schwester sich eines Tages verliebte und dann geheiratet hat. Sie ist mit ihrem Mann weggezogen, und das hat ihre ältere Schwester ihr nie verziehen. Sie hat sich jahrzehntelang in ihrem Schlafzimmer verkrochen und keinen zu sich gelassen. Sie wurde eine richtige Menschenhasserin, nur bei Dolly, bei Ihrer Mutter, war das offenbar anders. Die hat sie ins Herz geschlossen. Und Dolly war der alten Dame treu ergeben, und an die Regel mit dem Herrenbesuch hat sie sich immer gehalten. Wobei sie es sonst mit Regeln nicht immer so genau nahm – keine von uns wusste so gut wie sie, wie man auf dem Schwarzmarkt an Nylonstrümpfe und Lippenstifte kam –, aber sie hat zu der Alten gehalten, als hinge ihr Leben davon ab.«
    Etwas in der Art, wie Kitty diesen letzten Satz sagte, ließ Laurel aufhorchen.
    »Wissen Sie, im Nachhinein glaube ich, dass es damit angefangen hat.« Stirnrunzelnd hing Kitty ihren Erinnerungen nach.
    »Was hat damit angefangen?«, fragte Laurel gespannt.
    »Ihre Mutter hat sich verändert. Dolly war so lustig, als wir in das Haus eingezogen sind, aber mit der Zeit wurde sie immer komischer und war nur noch darauf bedacht, es der alten Dame recht zu machen.«
    »Na ja, Lady Gwendolyn war schließlich ihre Arbeitgeberin. Ich nehme an, sie …«
    »Ja, aber es war mehr als das. Sie hat nur noch über die alte Dame geredet – als wäre sie mit ihr verwandt. Und sie gab sich auf einmal ganz vornehm und tat so, als wären wir ihr nicht mehr gut genug. Sie hatte nämlich ganz neue Freunde kennengelernt.«
    »Vivien«, entfuhr es Laurel. »Sie meinen sicher Vivien Jenkins.«
    »Ach, von der wissen Sie also«, sagte Kitty sarkastisch. »Wir anderen zählten ja nicht, aber Vivien Jenkins war natürlich was anderes. Aber das wundert mich überhaupt nicht. Sie war mit einem Schriftsteller verheiratet und wohnte gleich gegenüber. Ein hochnäsiges Weibsstück. Schön war sie, das muss man ihr lassen, aber kalt wie ein Fisch. Die ließ sich nicht dazu herab, für ein Schwätzchen auf der Straße stehen zu bleiben. Dolly hat sich total von ihr beeinflussen lassen. Sie hat sie angehimmelt.«
    »Haben die beiden sich oft getroffen?«
    Kitty nahm sich einen Scone und löffelte einen Klecks Marmelade darauf. »Das weiß ich nicht«, sagte sie säuerlich, während sie die Marmelade auf dem Scone verteilte. »Ich war nie mit von der Partie, aber da hatte Dolly auch schon längst aufgehört, mir ihre Geheimnisse anzuvertrauen. Deswegen habe ich wohl auch erst gemerkt, dass etwas nicht stimmte, als es schon zu spät war.«
    »Zu spät wofür? Was stimmte denn nicht?«
    Kitty tat noch einen Löffel Sahne auf ihren Scone und beäugte Laurel über das von ihr geschaffene Kunstwerk hinweg. »Irgendetwas ist zwischen den beiden vorgefallen, zwischen Ihrer Mutter und Vivien. Das war Anfang 1941. Das weiß ich noch, weil ich Tom kurz vorher kennengelernt hatte – das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum es mich nicht so sehr interessiert hat, wie es sonst vielleicht der Fall gewesen wäre. Danach war Dolly richtig ungenießbar, hat alle nur noch angefaucht, ist nicht mehr mit uns ausgegangen, wollte Jimmy nicht mehr sehen. Sie war wie verwandelt – ist nicht mal mehr in die Kantine gegangen.«
    »Die Kantine des Frauenfreiwilligendienstes?«
    Kitty nickte und nahm einen Bissen von ihrem Scone. »Dabei hatte sie so gern da gearbeitet, hat jede Gelegenheit genutzt, sich aus dem Haus zu stehlen, um eine Schicht zu übernehmen – sie war sehr mutig, Ihre Mutter, hatte nie Angst vor den Bomben –, aber ganz plötzlich war das vorbei. Wollte einfach nicht mehr hingehen, nicht für Geld und gute Worte.«
    »Warum denn nicht?«
    »Das hat sie mir nicht gesagt, aber ich weiß, dass es etwas mit ihr zu tun hatte, mit der von gegenüber. Ich hab die beiden an dem Tag gesehen, als sie sich gestritten haben, wissen Sie. Ich bin ein bisschen früher als gewöhnlich von der Arbeit gekommen, weil in der Nähe meiner Arbeitsstelle ein Blindgänger gefunden worden war, und da sehe ich, wie Ihre Mutter aus dem Haus der Jenkins’ kommt. Was die für ein Gesicht gemacht hat!« Kitty schüttelte den Kopf. »Von wegen Blindgänger. Dolly sah aus, als würde sie gleich explodieren.«
    Laurel trank

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