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Die Verlorenen von New York

Die Verlorenen von New York

Titel: Die Verlorenen von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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Loretto und James Flaherty zusammen. James hatte den Sommer bei seinen Großeltern in Pennsylvania verbracht, und es war ein komisches Gefühl, ihn jetzt wieder hier sitzen zu sehen. Alex hatte fast schon vergessen, dass Leute mit Geld immer noch kommen und gehen konnten, wie sie wollten, und dass »verschwunden« nicht immer gleichbedeutend war mit »tot«.
    »Wie ist denn so die Lage auf dem Land?«, fragte Alex, während er den Rotkohl und die gebackenen Bohnen in drei großen Happen hinunterschlang.
    »Schlecht«, erwiderte James.
    »Genau wie das Essen hier«, meinte Kevin, aber Alex sah, dass er seine Portion genauso schnell verdrückt hatte wie er selbst.
    »Schlecht inwiefern?«, fragte Tony. »Erdbeben? Überschwemmungen?«
    James schüttelte den Kopf. »Da ist es einfach nur tot«, erklärte er. »Hier gibt’s wenigstens noch Lebensmittellieferungen und unter der Woche ab und zu Strom. Auf dem Land gibt’s überhaupt nichts mehr. Außerdem ist es hier noch ein bisschen wärmer, auch wenn man sich das kaum vorstellen kann. In der Stadt staut sich nun mal die Luft, die schlechte, aber auch die warme. Da draußen, ohne die Hochhäuser, ist die Luft zwar sauberer, aber eben kälter. Die gesamte Ernte ist erfroren und viele der Farmer sagen, dass sie ihre Tiere bald schlachten müssen, weil es nicht genug Futter gibt, um sie über den Winter zu bringen – selbst wenn sich die Lage im Frühjahr wieder entspannen sollte.«
    »Was sie nicht tun wird«, sagte Kevin.
    »Glaub ich auch nicht«, sagte Tony. »Jedenfalls nicht hier in der Gegend.«
    »Aber wenigstens liegen auf dem Land nicht überall die Leichen herum«, setzte James hinzu und erschauerte. »Vor meiner Abreise war das noch nicht so. Wie haltet ihr das bloß aus, all die Leichen, und dann die Ratten?«
    »Man gewöhnt sich dran«, sagte Tony. »Bei den Ratten muss man ein bisschen aufpassen, wegen Tollwut, aber das kommt eher selten vor. Sie fressen ja nur die Leichen, ansonsten lassen sie einen in Ruhe.«
    »Ich habe mich gewundert, dass du zurückgekommen bist«, sagte Kevin. »Ich dachte immer, wer weggeht, der kommt auch nicht wieder.«
    »Mein Vater hat hier noch zu tun«, sagte James. »Er ist Kardiologe. Ich hätte bei meinen Großeltern bleiben können, aber die hatten nicht genug zu essen für uns alle. Also bin ich jetzt wieder hier, bis sie Dad endlich gehen lassen.«
    »Und was soll mit deinen Großeltern passieren? Wisst ihr das schon?«, fragte Tony.
    »Noch nicht so genau«, antwortete James. »Die Richtlinien, wen sie reinlassen und wen nicht, werden laufend geändert.«
    »Ich dachte, in die Evakuierungslager darf jeder rein«, sagte Alex.
    »Spinnst du?«, fragte James. »Mein Vater schickt seine Eltern doch nicht in so ein Evak-Lager.«
    »Achte gar nicht auf Morales«, warf Kevin ein. »Der lebt sowieso hinterm Mond.«
    »Halt die Klappe, Kevin«, gab Alex zurück. »Was ist denn so schlimm an den Evakuierungslagern?«
    »Frag lieber, was nicht schlimm an ihnen ist«, sagte James. »Halb New York City wurde in das Lager in Binghamton gestopft. Und dann auch noch die falsche Hälfte.«
    »Kein Mensch geht freiwillig in so ein Evak-Lager«, sagte Tony. »Obwohl’s dort natürlich trotzdem viele anständige Leute gibt.«
    »Die haben da aber nicht den Hauch einer Chance«, sagte James. »Verbrechen, Krankheiten, Hunger.«
    »Kommt mir irgendwie bekannt vor«, sagte Kevin, aber niemand lachte.
    »Woher weißt du das alles?«, fragte Alex. »Bist du schon mal in einem gewesen?«
    »Ich nicht, aber meine Mutter«, antwortete Tony. »Vor ein paar Wochen musste sie da beruflich hin. Sie hatte zwei bewaffnete Leibwächter dabei, aber sie hat trotzdem gesagt, sie hätte noch nie in ihrem Leben solche Angst gehabt. Das Lager in Binghamton war für dreißigtausend Menschen gedacht, und jetzt drängen sich da schon über hunderttausend zusammen. Eigentlich soll die Nationalgarde für Ordnung sorgen, aber die sind völlig überlastet, und wenn man das Lager verlässt, um nach Nahrung zu suchen, knallen einen die Einheimischen ab. Keine Duschen, keine Toiletten und dazu jetzt diese Kälte. Sei froh, dass sie deinen Vater nicht in so ein Lager geschickt haben, James. Dort sterben sie wie die Fliegen, weil es nicht annähernd genug Ärzte gibt.«
    »Mein Vater hat zu viele einflussreiche Patienten«, sagte James. »Wo die hingehen, da gehen wir auch hin. Und glaub mir, Alex, das wird bestimmt kein Evak-Lager sein.«
    Tony nickte. »Mein Vater

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