Die verlorenen Welten von Cronus
Druck von über hundert Kilogramm auf jedem Quadratzentimeter der Hülle lastete und die Außentemperatur auf über tausend Grad angestiegen war.
Das Schiff wurde von gewaltigen Kräften wie ein Blatt im Wind hin- und hergeworfen. Maq kam fast überhaupt nicht voran. Immer wieder wurde er so fest gegen das Deck oder ein Schott gepreßt, daß er zu hören glaubte, wie seine Rippen brachen. Dann war er plötzlich wieder schwerelos und versuchte zu erraten, in welche Richtung die Schwerkraft als nächstes wieder einsetzen würde. Neben den Schlägen gegen die Schiffshülle und dem Heulen des Reaktors drang jetzt ein weiteres Geräusch an seine Ohren: Cherrys verzweifeltes Wimmern. Die Steuerung der Shellback reagierte nicht mehr, und der Illusionist wußte sich in seiner Verzweiflung nicht mehr zu helfen.
Ancor arbeitete sich schließlich in einem Augenblick trügerischer Stille ins Cockpit vor. Er überflog die Instrumente und stellte fest, daß ihnen nur eine Möglichkeit blieb, aus ihrer Notlage zu entkommen – und die bestand darin, direkt auf die Käfigwelt zuzusteuern, auch wenn sie dabei Gefahr liefen, wie ein Meteorit zu verglühen. Bevor Cherry Gelegenheit hatte, ihn aufzuhalten, drehte Maq die Energiezufuhr des Antriebs ab. Dann wurde die Shellback von einer neuen Turbulenz erfaßt, und er wurde in den Korridor zurückgeworfen.
Wenige Sekunden später lösten die Temperaturfühler auf der Außenhülle erneut Alarm aus, und während Maq sich wieder an Cherrys Seite kämpfte, drang durch die Beobachtungskuppel ein grelles Lodern. Die hohen Temperaturen brannten die äußerste Schicht des Rumpfs weg. Die Schläge der Turbulenzen ließen jedoch langsam nach, und Cherry aktivierte ein kleineres Bremstriebwerk und versuchte vorsichtig, die Kontrolle über das Schiff zurückzugewinnen. Er hatte nur teilweise Erfolg, daher beschlossen sie, die Hauptbremstriebwerke auf Vollast zu fahren, auch wenn sie so einem nahezu unerträglichen Andruck ausgesetzt waren.
Allmählich bremste die Shellback ab, und die wenigen noch funktionstüchtigen Temperaturfühler auf der Außenhülle zeigten rückläufige Werte an. Ein großer Teil der Instrumente reagierte aber immer noch nicht, und Maq und Cherry waren sich bewußt, daß die extremen Belastungen Schäden hinterlassen hatten, die sie niemals während des Flugs beheben konnten. Maq überließ Cherry den weiteren Anflug und kehrte an den Computer zurück, um sich mit der Käfigwelt unter ihnen vertraut zu machen. Falls nötig, konnten sie noch eine Zeitlang im atmosphärischen Flug bleiben, aber dann mußten sie unbedingt für einen gründlichen Check aufsetzen, weshalb die richtige Auswahl des Landeplatzes von größter Wichtigkeit war. Nach wenigen Minuten vor dem Computer wünschte sich Maq, daß sie auf einer anderen Käfigwelt landen könnten. Wie er bereits vermutet hatte, tobte unter ihnen ein gnadenloser Krieg.
Die Intensität des Funkverkehrs überraschte ihn. Auf jeder erdenklichen Frequenz vernahm er das Zirpen verschlüsselter und gepackter Signale, und die Menge der Radarsignale war derart groß, daß sie beinahe zu einer Einheit zu verschmelzen schienen. Er fing allerdings keine herkömmlichen Funksprüche auf und schloß daraus, daß menschliche Sprache und Reaktionsvermögen in einem High-Tech-Krieg zu langsam waren. Die radioaktive Verseuchung der Atmosphäre belegte, daß man zu einem früheren Zeitpunkt Atomwaffen eingesetzt hatte, doch die gelegentlichen Explosionen, die die Orter auffingen, rührten von konventionellen Sprengköpfen her. Ancor korrigierte seine ursprüngliche Vermutung. Dort unten befand man sich nicht mitten in einem Atomkrieg, sondern an seinem Ende.
Als sie tiefer in die Atmosphäre eindrangen, bestätigte der Zustand der Landschaft seine Einschätzung. Millionen Hektar einst landwirtschaftlich nutzbarer Fläche bestanden jetzt nur noch aus einer schlammigen Masse, übersät mit Granattrichtern, die sich langsam mit Wasser füllten. Nur hin und wieder stachen die Überreste von Bäumen aus der Einöde. Irgendwo mußte ein riesiger Damm zerstört worden sein. Aus einem Gebiet, das sie anfänglich für einen See gehalten hatten, ragten unzählige Dächer. Dazwischen erhoben sich immer wieder narbige Hügel aus dem Wasser, auf denen einzelne Blockhütten ihrer Umwelt trotzten.
Der Anblick war niederschmetternd, aber die Mannschaft der Shellback hatte mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen. Als die Temperatur der Hülle wieder auf
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