Die verlorenen Welten von Cronus
Schiffe hat offenbar seinen Test nicht bestanden und wurde über die Klippen geschoben. Deshalb dürfen wir keine unnötigen Risiken eingehen.«
»Warum jagen wir der Mirage nicht einfach eine Rakete in den Rumpf und fliegen weiter?« fragte Sine Anura.
»Das habe ich bereits erwogen. Wir dürfen aber nicht ihren Reaktor und ihre Brennstoffvorräte vergessen. Wenn die in die Luft fliegen, wird es nicht unbemerkt bleiben. Und außerdem wäre das ethisch nicht vertretbar. Unsere Expedition dient der Forschung, und das verträgt sich schlecht damit, daß wir die ersten Bewohner unserer Schwester-Schale, auf die wir treffen, abschießen. Nein, Sine, ich will diese Sache langsam und überlegt angehen. Aber wenn Raven Chahroud darauf besteht, sein eigenes Grab zu schaufeln, werde ich ihn bestimmt nicht daran hindern.«
»Was sollen wir also tun, Maq?«
»Jeder von uns trägt verdeckt eine Handwaffe mit Betäubungsgeschossen. Sine, Cherry und ich werden den persönlichen Kontakt herstellen. Tez und Carli bleiben im Schiff und rühren sich keinen Zentimeter von den Bordwaffen. Sobald wir drei das Schiff verlassen haben, legt ihr eine Grav-Fessel um die Shellback, damit niemand sie betreten oder wegbewegen kann. Noch Fragen?«
»Wie wäre es, wenn ich hier bei Tez und Carli bliebe?« fragte Cherry ungeschickt. »Ich bin schließlich nicht gerade ein Meisterschütze.«
»Normalerweise könntest du bleiben, aber du mußt deine Holo-Projektoren mitbringen und Raven Chahroud eine gekürzte Version von den Authentischen Holos vom Zentrum Solanas vorführen. Das sollte ihn mehr als tausend Worte davon überzeugen, daß wir von Schale zu Schale fliegen können.«
»Wollen wir ihn denn überhaupt überzeugen?« fragte Cherry. »Das Institut hat uns nicht umsonst darauf hingewiesen, daß Kontakte mit Zivilisationen, die den Exosphärenflug beherrschen, gefährlich sein können.«
»Vielleicht schätze ich Chahroud falsch ein, aber selbst wenn das der Fall sein sollte, bliebe es folgenlos. Bis es ihm gelingt, die Behörden zu benachrichtigen und sie von seiner Geschichte zu überzeugen, sind wir längst verschwunden. Selbst wenn sie ihm Glauben schenken sollten, haben sie immer noch nicht den geringsten Hinweis darauf, wie wir es angestellt haben. Aber wenn ihr mich fragt, werden die Behörden niemals von uns erfahren.«
Innerhalb von zehn Minuten waren die Vorbereitungen abgeschlossen. Sie hatten Cherrys Holo-Projektoren aus dem Lagerraum getragen, und unter Ancors Mantel verbargen sich nicht weniger als drei Handwaffen. Sine trug die aufregendsten Stücke ihrer Garderobe, und die Pheromone in ihrem Parfum berauschten die Männer.
Sie stiegen aus. Wegen des großflächigen Feuerschweifs, den die Triebwerke der Mirage erzeugten, war die Shellback in einiger Entfernung niedergegangen. Die beiden Gruppen würden sich in der Mitte zwischen den Schiffen treffen. Ancor war nicht überrascht, daß die Männer Chahrouds bewaffnet waren, aber die Anzahl von zwanzig Soldaten hielt er für glatte Übertreibung. Cherry, der wie immer eine weiße Toga und Sandalen trug und wie eine Vogelscheuche aussah, trat plötzlich zur Seite und blickte verwundert auf das Feld zu ihren Füßen. Seine Nasenflügel zuckten, als er in wenigen Sekunden das erschnupperte, wofür Maqs Instrumente zwei Stunden gebraucht hatten.
»Riecht nach Whisky«, sagte er mit einem sehnsüchtigen Unterton.
»Es ist eine Art von Whisky. Das ist eine erstaunliche Pflanze. Sie bringt nicht nur kopfgroße Maiskörner hervor, sie sondert auch noch Zucker ab, der zum Teil gärt. Wenn man bedenkt, daß sie Korn, Zucker und Alkohol aus einer Pflanze gewinnen, wundert man sich nicht mehr, daß ihnen das Feld so wichtig ist.«
»Glaubst du, sie hätten etwas dagegen, wenn ich einen Ableger mitnehme?«
»Ich glaube schon. Deshalb fliegen sie ja den Feldschutz. Ich beabsichtige aber trotzdem einige Samen zum Anbau am Institut mitzunehmen. Wir hätten für diese Pflanze auch auf anderen Schalen Verwendung.«
Der eingebildet grinsende Raven Chahroud verschwendete keine Zeit mit Höflichkeitsfloskeln.
»Unsere Geschütze sind auf Ihr Schiff gerichtet, Direktor. Glauben Sie nicht, daß Sie gegen meinen Willen aufsteigen können.«
»Dasselbe gilt für unsere Geschütze, Kapitän, nur daß wir in der Zeit, in der Sie einen Schuß abfeuern, tausend abgeben können. Aber Sie wollten ja unsere Geschichte hören – nun, wir können Ihnen sogar Bilder von unseren Reisen zeigen, die
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