Die Vermessung der Frau
meistens Mr. Spock. Wenn ich dies meinen Erstsemester-Studentinnen erzähle, höre ich zunächst ein lautes Schnaufen und bekomme dann Blicke, als ob ich ihnen grad mitgeteilt hätte, ich wäre noch vor dem Ersten Weltkrieg geboren. Dabei ist Barbie viel älter als ich!
Heutzutage tragen die Mädchen lange Haare, die Farbe Rosa und spielen mit Puppen.
Es ist zwar erst zehn Jahre her, dass die US-amerikanischen Girly-Fantasien und idiotische Topmodel-Wettbewerbe in Deutschland einzogen, doch die Macht der US-amerikanischen Prostituiertenkultur hat hierzulande ganze Arbeit geleistet. Peter Sloterdijk machte dazu eine brutale Notiz in seinen Tagebüchern: »Ein neuer möglicher Straftatbestand: Aufreizung zur Magersucht. Ein solcher Paragraph würde erlauben, Moderatorinnen von Model-Shows hinter Gitter zu bringen. Hätte der Neoliberalismus Titten aus Zement, er sähe aus wie Heidi Klum.« (Peter Sloterdijk, Zeilen und Tage, S. 39)
Tyler Durden, die Hauptfigur im Film »Fight Club«, sagt Ähnliches über den gesamten Konsumgüterwahnsinn, der die Menschen von sich selbst ablenkt: »Ganze Generationen arbeiten
mittlerweile in Jobs, die sie hassen, nur damit sie kaufen können, was sie nicht wirklich brauchen.«
Die »Pinkifizierung« (Zitat FAZ) hat nämlich nichts mit Mädchen und Jungen, dafür alles mit dem Geld- und Wirtschaftssystem zu tun. Schafft man die Zielgruppe »Kinder« ab und unterscheidet nach Geschlecht, kann man doppelt so viel verdienen. Man stellt doppelt soviel her, man setzt doppelt so viele Trends, man erfindet doppelt so viele Spielzeuge, man macht doppelt so viele Filme, Games und Maschinen. Je stärker und je fixierter die Zielgruppe ist, desto mehr kauft sie. Ich sehe dies an meinen eigenen Kindern. Da gibt es grandiose Computerspiele, und ich habe enorm viel von meinen Söhnen gelernt, während meine Freundinnen mit ihren Töchtern irgendwo im Barbie-Stadium steckengeblieben sind.
Lego und Ferrero haben plötzlich rosarote Mädchen-Produktserien entwickelt, während sich vorher Jungen und Mädchen gemeinsam mit Duplo und einem uniformen Kinder-Ei vergnügten. Die Vergewaltigung der Mädchen auf ihre Mädchenrolle, die Vergewaltigung der Jungs auf ihre Bubenrolle zerstört mittlerweile ganze Generationen westlicher Menschen. Sie begegnen uns ab und an in der Politik und lassen mit Schaudern erahnen, welche Uniformpuppen und lässige Oberflächenschmierer tatsächlich unsere Demokratie lenken.
In den USA gibt es eine beliebte Serie, die »Toddlers & Tiaras« heißt. In dieser Sendung werden Kleinkinder im Alter von 0 bis 12 für Schönheitswettbewerbe abgerichtet. Es ist eine Show, die jeden vernünftig denkenden Menschen und grundsätzlich jede Europäerin (noch) entsetzt. Was »Toddlers & Tiaras« zeigen, ist eigentlich eine Kinderporno-Werbesendung. Fünfjährige werden so hypersexualisiert inszeniert, dass die Sendung hierzulande den Straftatbestand der Pädophilie erfüllen würde. Kleine Mädchen werden wie Prostituierte hergerichtet und machen so unendlich gut Quote.
Dies alles in einem Land, das Nacktheit verpönt und das Baden des Vaters mit der eigenen kleinen Tochter unter den Generalverdacht des sexuellen Missbrauchs stellt. Doch ich bin sicher,
dass die Perversion einer »Toddlers & Tiaras« ebenso wie die Misswahlen, die auf Deutsch genau das bezeichnen, was sie sind, auch in Deutschland früher oder später in den Privatsendern Hochstand feiern. Großbritannien und die USA sind führend, wenn es darum geht, Mädchen von Geburt an zu verkaufen, Frauen lächerlich zu machen und gleichzeitig Studien über den Niedergang des Mannes zu publizieren.
In »Toddlers & Tiaras« melden sich meist mausarme Familien des untersten Bildungsstandes. Wer auch nur fünf Minuten dieser unfassbaren Entwürdigung der Entmenschlichung von 5-jährigen Mädchen zugeschaut hat, ist fürs Leben geschädigt. Hier wird westlichen Mädchen zwar nicht der Schulunterricht verboten wie in Afghanistan, doch sie wachsen in einer Kultur auf, in der sie – wie in Afghanistan – außer ihrem Körper nicht mehr viel zu bieten haben werden. Westliche Mädchen werden dazu trainiert, dass sie schön, süß und vor allem sexy sein müssen. Sie müssen gefallen. Um jeden Preis. Schon Fünfjährige lassen ihre Härchen überall entfernen, und sie nehmen Pole Dancing-Stunden. Solche Mini-Nutten beleben ganze Industriekomplexe, von Fernsehshows über Spielzeugfirmen hin zu den Kosmetikkonzernen der Schönheits-
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