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Die Vermessung der Lust (German Edition)

Die Vermessung der Lust (German Edition)

Titel: Die Vermessung der Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catrin Alpach
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heute Abend mit mir essen gehen?«, fragte er ohne Vorwarnung und ohne seinen Blick auf sie zu unterbrechen. Der bemühte sich gerade, sich den Teil von Madeleine Vulpius vorzustellen, den der Schreibtisch verbarg.
    »Wie bitte?«, fragte sie irritiert zurück. »Ob Sie mit mir essen gehen wollen«, wiederholte Bergengruen. »Aber vorher bräuchte ich die dreißig Euro. Sorry, ich bin im Moment etwas knapp bei Kasse.«
    »Ja«, antwortete Madeleine Vulpius, ohne genau zu wissen, welche Frage oder Feststellung des Mannes sie gerade beantwortet hatte, die mit dem Essengehen oder die mit dem Pleitesein.
    »Schön«, sagte Bergengruen, »dann hole ich Sie um... sieben? hier ab. Sie haben doch ein Auto?« Nun war ihr klar, welche Frage sie beantwortet hatte. Sie nickte nur und spürte, wie die Eiswürfel über ihre Bandscheiben purzelten.

    *

    Das Mädchen kam als letzte ins Büro. Dora wich ihrem Blick aus, nahm die drei Zehneuroscheine aus der Kasse, legte sie auf den Tisch und schob das Formular hinterher. »Bitte unterschreiben«.
    Zu dumm, dass Lars mit dem Equipment im Labor beschäftigt war, sie hatte keine Lust, heute die Gelder auszuzahlen. Wegen ihr . Die beugte sich jetzt über den Schreibtisch, nahm die Scheine und das Formular.
    »Hast du einen Kugelschreiber?«
    Wieso duzte die sie? Okay, sie waren altersmäßig nicht weiter auseinander, sie waren Studierende, sie duzten sich hier alle. Dennoch kam es Dora irgendwie deplatziert vor. Sie schob ihr einen Kugelschreiber hin und konnte nicht vermeiden, sie anzuschauen.
    Hübsch, ja. Nicht besonders hübsch, nicht wie diese Modepüppchen. Jetzt bloß keine verstärkte Schweißproduktion, bitte keine Endorphine auswerfen, lieber Körper.
    Lars kam aus dem Labor, endlich. Er nickte Simone Boenisch zu, die wurde rot. Na was nun? Er oder ich? Dora wurde sauer. Bi? Gab es nicht, das wusste sie. Wer sich bi nannte, wusste bloß noch nicht, in welche Öffnung des Körpers... sie wollte jetzt nicht daran denken. Das Mädchen schob ihr das Formular zurück, sagte »Danke« und wartete auf etwas. Blieb einfach stehen und sah Dora an. Die sah eiskalt zurück. In Simones Gesicht erglühten abwechselnd rote Pünktchen. Das sah ziemlich süß aus, Dora musste es zugeben.
    »Ist noch was?«, fragte sie. In diesem Moment verließ Lars das Büro, um die Post ins Professorinnenzimmer zu bringen. Er machte die Tür hinter sich zu, der Idiot.
    »Nein, eigentlich...«. Simone lachte plötzlich auf, so dass Dora zusammenschrak.
    »Ich dachte gerade nur, ob ich mich schon für die nächste Versuchsreihe bei dir anmelden könnte. Ist das überhaupt möglich?«
    Es war natürlich möglich. »Nein«, sagte Dora mit gekünsteltem Bedauern, »wir wählen jedes Mal neu aus. Du kannst ja ab und zu anrufen, ob wir jemanden brauchen.«
    »Ach so«, sagte Simone und wirkte ehrlich enttäuscht. »Ist ja leicht verdientes Geld, ich meine... für die dreißig Flocken muss ich fünf Stunden Böden schrubben.«
    Auf einmal tat sie ihr furchtbar leid, dieses zierliche Mädchen in den abgewetzten Klamotten. Kein Scheck von Papa, kein spendabler Freund – oder keine spendable Freundin.
    »Na ja, ich kann dich ja mal aufschreiben. Mal sehen, was sich machen lässt.«
    »Oh, das ist lieb!«, sagte Simone und lächelte. Hör auf zu lächeln, du blöde Kuh, dachte Dora, ich bin nicht lesbisch.
    »Kann ich mich revanchieren?«, fragte Simone, nachdem sie Dora ihre Telefonnummer genannt hatte.
    »Wie revanchieren?«
    »Na... mal was zusammen trinken? Du bist eingeladen. Heute geht’s nicht, ich muss noch auf einen Balg aufpassen. Morgen?«
    Dora stand auf. Das wurde ihr jetzt zu bunt. Frauen waren beim Baggern nicht einfallsreicher als Männer.
    »Morgen hab ich leider schon was vor«, sagte sie leise und zog einen Ordner aus dem Regal, um Simones Formular abzuheften.
    »Egal, morgen wäre sowieso schlecht gewesen«, konterte Simone. »Übermorgen?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete Dora und stellte fest, dass sie den falschen Ordner herausgezogen hatte. Außerdem schwitzte sie leicht.
    »Übermorgen ist Samstag«, sagte sie, ohne zu wissen, warum man sich samstags nicht mit jemandem treffen konnte. Ah doch, jetzt fiel ihr etwas ein. »Samstags bin ich mit einigen Freundinnen immer unterwegs.«
    Stimmte natürlich nicht. Das Wort Freundin war in ihrem Leben noch nie im Plural vorgekommen. Sie hatte immer nur eine gehabt, dafür aber jeden Monat eine andere. Zur Zeit war es diese Franzi.
    »Cool«, meinte

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