Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vermessung der Lust (German Edition)

Die Vermessung der Lust (German Edition)

Titel: Die Vermessung der Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catrin Alpach
Vom Netzwerk:
vielleicht eine Literaturliste geben, mich interessiert das Thema ja so brennend. Das war ein ganz klarer Flirtversuch, oh ja. Ein wenig unbeholfen, aber ein Flirtversuch, ich mag das, wenn die Frauen auch ein bisschen aktiv werden, hat man ja sonst eher selten. Sie hat übrigens ein Zungenpiercing, das wird dann eine Premiere sein, ich hatte noch nie eine Frau mit Zungenpiercing, das fühlt sich bestimmt nicht schlecht an, auf jeden Fall ungewohnt. Mal sehen, was das bringt und wo sie noch überall gepierct ist. Hm, Christianas hatte ich schon zwei, ist aber länger her. Die waren auch älter, das war noch als ich jung war und ältere Mädchen bevorzugte. Heute bin ich älter und – naja, so ist das Leben eben, immer für eine Überraschung gut. Aber achtzehn sollten sie schon sein, alles andere ist zu gefährlich. So, ich geh dann mal ins Bett.

Eine lange Nacht in einem stillen Park

    Warum sie angehalten hatte, um ein paar Schritte durch den Park zu gehen, wusste sie nicht. Es war ganz gegen ihre Gewohnheiten, passte also zu dem, was sie vorher getan hatte. Madeleine Vulpius fühlte sich wider Erwarten gut, keine Selbstanklagen, keine moralischen Verkrampfungen. Sie lief, etwas schwankend, in die Dunkelheit, sie hatte immer Angst vor der Dunkelheit gehabt, auch jetzt, es war ihr egal. Vollmond, das genügte, man erkannte die Schemen der Bäume und Sträucher, unter ihren Schuhen knirschte Kies.
    Wenn sie heimkäme, würde Konrad hoffentlich schon eingeschlafen sein. Sie würde den Fernseher ausschalten – wahrscheinlich wieder eine Talk- oder Spielshow –, dem Schlafenden einen Kuss auf die Stirn geben und dann in Ruhe duschen. Käme sie aus dem Bad, wäre Konrad schon wieder auf den Beinen, um das Essen aufzuwärmen. Weiter dachte sie noch nicht. Sie freute sich vor allem auf das Duschen.
    Nein, schmutzig fühlte sie sich nicht, das überraschte sie wirklich. Madeleine war eine vornehme ältere Villa, deren Heizungsrohre gründlich gereinigt worden waren, jetzt strömte wieder wohlige Wärme durch das ganze Haus. So musste man das sehen. Sie waren von einem soliden Handwerker gereinigt worden, keinem Meister seines Fachs, aber er hatte gute Arbeit geleistet. Natürlich bei ausgeschaltetem Licht, seinen Anblick hätte sie beim besten Willen nicht ertragen und die Augen wollte sie nicht schließen. Er hatte nach Fichtennadeln gerochen, ALLES an ihm hatte nach Fichtennadeln gerochen. Sie wunderte sich, dass man diese Badezusätze überhaupt noch herstellte, die waren doch total aus der Mode.
    Egal, sie würde ihn sowieso nicht wiedersehen. Das Experiment war abgeschlossen und musste ausgewertet, sein Ergebnis in den Stand der Forschung integriert werden. Morgen würde sie Dora zudem erlauben, die Attraktivität gleichgeschlechtlicher Menschen in einer zusätzlichen Versuchsanordnung zu erforschen. Sie würde sich freuen, kein Zweifel.
    Madeleine setzte sich auf eine Bank, ihr fröstelte ein wenig. Das Kostüm war etwas zerknittert, sie lehnte sich zurück, schloss die Augen und lauschte den fremden Geräuschen. Kies knirschte. Da kam ein Mensch näher. Tief durchatmen. Dann sollte es halt so sein. Vergewaltigung. Na und?
    »Oh, guten Abend, Frau...«
    Lars. Das gab es jetzt nicht. Kein Zufall, unmöglich. Er musste ihren Wagen am Park gesehen, angehalten haben, warum auch immer. Er konnte ihr nicht gefolgt sein, oder doch? Hatte er nicht gesagt, Bergengruen sei sein Nachbar? Dann wohnte er auch in diesem Haus, das hatte sie nicht bedacht. Sofort strömte Blut in ihre Wangen, nur gut, dass es so dunkel war.
    »Oh«, machte sie nur. Lars war stehengeblieben, keine zwei Meter vor ihr, er wirkte linkisch, nervös. »Das nenne ich jetzt aber einen Zufall«, sagte er. Sie winkte ab. Keine Lust auf Spielchen. »Lügen Sie nicht, dafür haben Sie kein Talent.«
    Er sackte in sich zusammen, sie sah es nicht, sie merkte es dennoch. »Hm«, machte er. Sie wies auf den freien Platz neben sich, so wie Bergengruen auf den freien Platz neben sich auf der Couch geklopft hatte. Lars machte ein paar Schritte und setzte sich. Sicherheitsabstand dreißig Zentimeter.
    »Warum?«, fragte er, seine Stimme klang tonlos, kraftlos.
    »Warum nicht?«, antwortete sie und fügte hinzu: »Ich habs einfach gebraucht, wissen Sie? Eine Stunde schmutzigen, harten Sex mit einem unmöglichen Mann.«
    »Warum nicht mit mir?« Sie merkte, dass ihm diese Frage schwergefallen war, sie überraschte sie auch. Lars in sie verliebt? Beinahe hätte sie

Weitere Kostenlose Bücher