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Die Verraeterin

Die Verraeterin

Titel: Die Verraeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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anzusehen, während er dastand und sie mit Augen, die so scharf und seltsam waren, dass Morgan erbebte, musterte.
    Seine Augen waren schwarz. Rabenschwarz. Sie besaßen keine andere Farbe und schienen endlos tief zu sein. Sie hatte das Gefühl, erneut in diesen Sog hineingerissen zu werden – als ob sie fallen würde. Oder ertrinken.
    In diesem Moment stürzte Xander los und rannte auf die Treppe zu, wobei er jeden aus dem Weg stieß, der nicht schnell genug beiseitesprang. Der Bann war gebrochen. Die Touristen auf der Piazza begannen zu fluchen. Mit einem einzigen riesigen Sprung überwand er den plätschernden Brunnen in der Mitte des Platzes und landete auf der anderen Seite – eine Leistung, zu der kein Mensch in der Lage gewesen wäre, was sich auch in den überraschten Rufen widerspiegelte, die diejenigen von sich gaben, die das Ganze mit ansahen. Ohne innezuhalten, rannte Xander schnurstracks auf die große, breite Treppe und den Mann zu, der dort am oberen Ende stand.
    Er bewegte sich nicht von der Stelle, während er beobachtete, wie Xander auf ihn zukam. Vielmehr hielt er sich völlig still und hatte den Blick auf den Killer gerichtet. In seiner Miene spiegelte sich eine leichte Irritation wider, jedoch keinerlei Angst oder Überraschung. Er sah vielmehr so aus, als ob er sich das Szenario genauso vorgestellt hatte. Seine Augen wanderten zu Morgan zurück. Sie saß noch immer starr auf ihrem Stuhl und hatte das Gefühl, von einem schweren Gewicht nach unten gedrückt zu werden. Es fiel ihr sogar schwer zu atmen.
    In diesem Moment hörte sie eine Stimme in ihrem Kopf, und jetzt verschlug es ihr endgültig den Atem.
    Du wirst mir gehören. Schöne Fremde, Blut von meinem Blut, du wirst mir gehören.
    In dem Augenblick, als Xander den ersten Absatz der Treppe erreicht hatte, drehte sich der Mann in Weiß um und verschwand in der Menge.

11
    Xander sah, wie der Alpha sich umdrehte und verschwand. Er setzte zum Sprint an.
    Er nahm jeweils drei Stufen auf einmal, wobei er die Muskeln in seinen Armen und Beinen anspannte. Er drängte sich an den Leuten vorbei oder stieß auch mit ihnen zusammen, doch das hielt ihn nicht auf oder ließ ihn auch nur langsamer werden.
    Ein Alpha. In Rom.
    Unmöglich.
    In allen vier Kolonien der Ikati – in England, Brasilien, Kanada und Nepal – gab es keinen Alpha, der vermisst wurde. Die Ikati durften nur unter Einschränkungen reisen, man kannte die jeweiligen Familien und ihre Mitglieder genau. Jeder wusste von jedem, und so war das bereits seit Jahrhunderten. Es gab nicht einmal mehr freilebende Halbblüter, seitdem die neue Königin gefunden worden war. Und die wenigen Deserteure, die es in den letzten Jahrzehnten gegeben hatte, waren alle entdeckt und zurückgebracht worden – oder von Xander höchstpersönlich getötet. Die Tatsache, dass ein männlicher Ikati in seinem Alter und mit so einer mächtigen Aura bisher unbemerkt und unentdeckt geblieben war, schien völlig unmöglich zu sein.
    Aber irgendwie war es passiert.
    Er erreichte die oberste Stufe der Spanischen Treppe und kam schlitternd zum Stehen. Panisch schoss sein Blick durch die Menge, während er tief ein- und ausatmete. In westlicher Richtung konnte er den unverkennbaren Geruch des Ikati wahrnehmen – ein Hauch von Kraft und Energie, der in einer schmalen, baumgesäumten Straße verschwand. Xander lief los, um der Fährte zu folgen.
    Nur undeutlich bemerkte er, wie die Leute beiseitesprangen, als er in Windeseile über das Kopfsteinpflaster lief. Sein Herz pochte wild in seiner Brust, und seine Lungen brannten wie Feuer. Doch er konzentrierte sich ganz und gar auf das Laufen und versuchte, noch einen Zahn zuzulegen. Ein einziger Gedanke schoss durch seinen ganzen Körper – seine Nerven, sein Blut und seine Knochen – und hallte in seinem Schädel wider.
    Feind! Feind! Feind!
    Denn natürlich musste der Mann in Weiß ihr Feind sein. Ein wild lebender Alpha – außer den Expurgari gab es für ihre Spezies niemanden, der gefährlicher war. Diese Tatsache war über Jahrhunderte hinweg immer wieder belegt worden. Die Alphas der vier bekannten Kolonien waren höchst aggressiv und brutal, wenn sie auf andere Alphas trafen. Sie kämpften um die Vorherrschaft und das beinahe immer bis zum Tod.
    Wenn dieser Alpha über die anderen Kolonien Bescheid wusste, würde er alles daran setzen, die dortigen Alphas vom Thron zu stoßen. Ein solches Verhalten war ihm angeboren, war Teil seines Erbguts. Die völlige

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