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Die Verraeterin

Die Verraeterin

Titel: Die Verraeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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übersehen. Sie spürte den Blutdurst, der sich in seinem Körper ausgebreitet hatte, und wich einen Schritt zurück, die Hand an ihrem Hals.
    »Gehen Sie ins Hotel zurück.« Er atmete schwer, und doch klang seine Stimme vollkommen beherrscht, vollkommen kalt. »Warten Sie dort auf mich. Lassen Sie niemanden zu sich. Nur mich. Ganz gleich, was passiert. Entendido? «
    Sie nickte und wich weiter zurück, die Hand noch immer an ihrem Hals. Falls sie noch irgendwelche Illusionen darüber gehabt haben sollte, wer er wirklich war, falls sie eine zarte Hoffnung nach ihrer seltsamen Unterhaltung während des Frühstücks gehegt hatte, so hatte sich diese nun als völlig naiv erwiesen. Die pulsierende Kraft seines Zorns und seines Hasses brannte so hell wie ein Komet in seinen Augen.
    Killer, dachte sie. Er war ein Killer. Daran gab es spätestens jetzt keinen Zweifel mehr.
    In diesem Moment wandte er sich ab und ging zum Ende der Sackgasse, einer Ziegelmauer hinter zwei stinkenden Mülltonnen. Dort verschwand Xander, indem er einfach durch die Wand ging und nicht einmal die Andeutung einer Spur hinterließ.
    Xander wollte seine Messer nicht zurücklassen, weshalb er sich für Durchlass und nicht für Nebel entschied – eine praktische Begabung, für die er schon mehr als einmal dankbar gewesen war.
    Er war in der Lage, durch festes Material zu dringen, aber genauso dieses durch ihn hindurchdringen zu lassen, wie das gerade bei der Kugel der Fall gewesen war. Dabei konnte er seine Kleidung und alles, was er bei sich trug, behalten. Zumindest alles, was nicht allzu schwer war. Er hatte einmal versucht, einen Deserteur aus seiner Kolonie mitzunehmen, der hundertdreißig Kilo gewogen und sturzbetrunken in einer Ausnüchterungszelle gesessen hatte. Er hatte sich bemüht, mit ihm durch die Metallstangen des Gitters zu gelangen, musste jedoch auf recht schmerzhafte Weise herausfinden, dass es für seine besondere Begabung Grenzen gab. Der Mann war bis zur Hälfte durch das Gitter gelangt, als es wirklich nicht weitergegangen war und Xander den Leichnam hatte zurücklassen müssen. Ihm war auch nichts anderes übriggeblieben, als das Gefängnis bis auf die Grundfesten niederzubrennen, damit niemand sah, auf welche ungewöhnliche Weise der Deserteur ums Leben gekommen war.
    In einem anderen Leben wäre er vermutlich Einbrecher geworden. Mehr als einmal hatte er von den Reichtümern geträumt, die er allein durch seine Fähigkeit, sich zu konzentrieren, hätte ansammeln können.
    Das Gebäude, in das er eindrang, war früher einmal offenbar ein kleiner Palazzo gewesen. Inzwischen hatte man es in ein bescheidenes Hotel umgewandelt. Sobald er durch die Wand durchgedrungen war, fand er sich in einem Wäscheraum wieder, wo Berge voll ungewaschener Laken, Kissenbezüge und Handtücher herumlagen. Er brauchte einen Moment, um sich zu orientieren und die gedämpfte Energie des Alpha wieder wahrzunehmen, der sich weit über ihm befand und über das Dach schwebte. Dann lief er wieder los. Er sprang über Waschmaschinen und wich Bügelbrettern und zwei alten Italienerinnen aus, die gerade Handtücher zusammenfalteten und entsetzt aufschrien, als er an ihnen vorbeischoss.
    Er hastete durch die Küche, den Speisesaal und die kleine, leere Lobby des Hotels. Dort machte er sich nicht einmal die Mühe, die Tür zu benutzen. Er ging einfach durch die Wand und rannte auf die Straße hinaus. Der Verfolgte befand sich noch immer weit über ihm, war jetzt jedoch wieder als graue Nebelschwade zu erkennen, die schnell und still durch den Himmel flog.
    Obwohl es Xander schwerfiel, das Tier in ihm zu bändigen, das schon die ganze Zeit über ausbrechen und seine Klauen zeigen wollte, zwang er sich, einen gewissen Abstand zu dem Fremden einzuhalten. Er überlegte. Er konnte sich immer noch in Nebel verwandeln, falls das notwendig werden sollte, aber zum einen wollte er dem Feind nicht zeigen, wozu er in der Lage war, und zum anderen wollte er dem Mann in Weiß das Gefühl geben, dass er ihn in dem Labyrinth der römischen Straßen abgehängt hatte. Auf diese Weise würde er Xander vielleicht zu seinem Versteck führen. Zumindest hoffte er das. Wenn der Mann merkte, dass man ihm noch immer folgte, gab es keine Chance herauszufinden, wo er sich aufhielt.
    Xander rannte zu einer der hohen Steinkiefern, die mit ihren schirmförmigen Ästen in der ganzen Stadt verteilt waren, und kletterte hastig den Stamm hinauf. Er hatte es so eilig, dass er es sogar vergaß,

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