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Die Verraeterin

Die Verraeterin

Titel: Die Verraeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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Einen Moment lang sah sie ihn fragend an, richtete dann aber ihre Aufmerksamkeit auf die vielen Speisen, die vor ihr auf dem Tisch standen. Sie hob einen der Silberdeckel und sog sichtbar den Duft des Essens in ihre Nase. Speck. Auch er nahm ihn durch die Balkontür hinweg wahr, und sein Magen begann zu knurren.
    Ohne weiter nachzudenken, trat er ins Freie und setzte sich Morgan gegenüber. Mehrere Minuten lang sprach keiner der beiden ein Wort. Sie füllten ihre Teller mit Speisen und aßen. In den Bäumen hinter der üppig blühenden Terrasse zwitscherten die ersten Vögel. Zuerst waren es noch verschlafene Piepser, die jedoch zu einem immer lauteren Willkommensgesang wurden, je weiter die Sonne über den Horizont stieg.
    »Sie haben ihn also nicht erwischt«, sagte sie nach einer Weile.
    Er zerriss ein Hörnchen mit seinen Fingern. »Nein, aber ich weiß, wohin er verschwunden ist. Ich mache mich gleich nach dem Frühstück wieder auf die Suche.«
    »Das muss ziemlich praktisch für einen Auftragskiller sein.« Morgan blickte zu ihm auf. »Die Sache mit dem Durch-die-Wände-gehen-Können. Das habe ich noch nicht gesehen. Sie können sich auch noch in Nebel auflösen. Sie sind wirklich sehr begabt.«
    Er antwortete nicht. In der ganzen Stadt läuteten Kirchenglocken.
    »Das gefällt mir«, sagte Morgan leise, während sie sich eine Gabel mit Rührei in den Mund schob.
    Xander hielt mitten in der Bewegung inne. Er war gerade dabei gewesen, sich ebenfalls etwas in den Mund zu stecken.
    »Die Glocken«, sagte sie und sah auf ihren Teller. »In Sommerley haben wir keine Kirchenglocken.«
    »Oh.« Sein Herz schlug noch immer schnell und heftig. Idiot.
    Als er wieder normal atmen konnte, spürte er etwas. Sie wirkte auf einmal so ernst, beinahe finster. Ihre schön geschwungenen Augenbrauen waren zusammengezogen, und ihr voller Mund wirkte missmutig.
    »Geht es Ihnen gut?«, fragte er leise, ohne sie direkt anschauen zu wollen.
    Überrascht blinzelnd warf sie ihm einen Blick zu. »Mir?« Sie gab ein kurzes, freudloses Lachen von sich. »Mir geht es … Ja! Natürlich geht es mir gut! Ich bin nur so. Ich bin nur … so unglaublich …«
    Damit legte sie ihre Gabel auf den Tisch, schlug die Hände vors Gesicht und verstummte.
    »Morgan«, sagte er mit harscherer Stimme, als ihm lieb war.
    Sie hob eine Hand. »Bitte nur eine Minute.« Dann legte sie die Hand wieder über ihr gesenktes Gesicht.
    Die Unruhe, die sich bei diesem Anblick in ihm ausbreitete, war beinahe unerträglich. Er rührte sich nicht von der Stelle, sondern starrte auf ihr schimmerndes schwarzes Haar, die geschwungene Linie ihres Schlüsselbeins, das sich unter dem offenen Kragen ihrer Bluse zeigte, sowie die langen, schlanken Finger, die leicht zitternd auf ihrem Gesicht lagen.
    Wieder sagte er ihren Namen, wobei er es diesmal noch leiser tat. Sie holte hörbar Luft und atmete dann tief durch – ein Geräusch, das klang, als ob sie zu einer Art Entscheidung gekommen wäre. Dann hob sie den Kopf und sah ihn direkt an. Jetzt war ihr Blick ruhig und klar.
    »Ich muss wissen, wie Sie es tun werden.«
    Er runzelte die Stirn. »Was tun?«
    »Es geht mir nicht nur darum, dass ich es weiß. Ich glaube, wenn ich es weiß, dann kann ich … dann wird es einfacher für mich sein.«
    Das Essen, das er bereits zu sich genommen hatte, verwandelte sich in seinem Magen in einen sauren Klumpen.
    »Bitte sagen Sie es mir«, flüsterte sie. Der Blick, den sie ihm zuwarf und der auf einmal etwas Flehendes und Verletzliches hatte, ließ das glanzlose Stück Holz in seiner Brust in tausend Stücke zersplittern.
    Finster schob er den Stuhl zurück, stand auf und lief über den Balkon, bis er an die Balustrade aus rosafarbenem Marmor kam, auf der Steintöpfe mit Blumen standen. Einen Moment lang sah er sich, wie er in die Tiefe sprang. Irgendwie wäre ihm das lieber gewesen, als ihre Frage zu beantworten.
    Wie werden Sie mich töten ? Das wollte sie von ihm wissen.
    Genau – wie?
    Er hörte, wie sie langsam hinter ihn trat. Auf dem Steinboden waren ihre Schritte kaum zu hören. Als sie nur wenige Zentimeter neben ihm stehen blieb, sah er nicht zu ihr hinüber. Er fühlte ihren Blick wie Feuer auf seinem Gesicht.
    »Ich werde nicht vor Ihnen weglaufen«, sagte sie kaum hörbar. »Ich gebe Ihnen mein Wort, wenn Ihnen das irgendetwas bedeutet.«
    Er hatte das Gefühl, als ob sich eine Stahlklaue immer fester um sein Herz klammerte. Jeder Atemzug, den er nahm, wurde schwerer. Er

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