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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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verkneifen. »Sagt jemand, der erst wieder einen Fuß aus den Sphären setzen wollte, wenn der letzte Prim tot ist.«
    Ihre Augen werden groß und sie wirft einen hektischen Blick über die Schulter. »Sag so etwas nicht. Ich hatte eben Angst und habe sie immer noch, wenn ich an die Schlitzer denke. Oder an die Scharten. Wir haben heute wieder ein paar von ihnen gesehen, mit Schleudern. Yann sagt, wenn sie dich mit einem Stein am Kopf treffen, kannst du tot sein.«
    Yann. Der wütende Prim mit der Keule. Er ist mir unter Tommas neu gefundenen Freunden der größte Dorn im Auge. Trau ihm nicht, möchte ich sie warnen, aber das hätte keinen Sinn. Wenn sie seinen Namen sagt, leuchten ihre Augen, dagegen habe ich keine Chance.
    »Was wäre, wenn wir einen Weg finden würden, in die Sphären zurückzugehen?«, frage ich sie stattdessen. Ich hoffe, dass sie die Idee genauso verrückt findet wie ich, aber so weit denkt Tomma gar nicht mehr.
    Erst beißt sie sich auf die Lippe, dann schüttelt sie entschlossen den Kopf. »Dort könnte ich jetzt nicht mehr atmen.«
     
    Bei den anderen stößt die Idee, eine Rückkehr zu versuchen, auf mehr Zustimmung. In der Dunkelheit unseres Kellers erzählt Aureljo, was er über Vienna 2 gehört hat.
    Das Essen in der Halle war heute Abend eine bedrückende Erfahrung für uns. Der blanke Hass, den die Noraner uns entgegenbringen, war schwer auszuhalten. Obwohl Fürst Vilem noch einmal den Frieden der Halle beschworen hat, war ihm anzusehen, dass er Verständnis für die Wut der Überlebenden hat. Als einer von ihnen Tycho so heftig anrempelte, dass er zu Boden ging, griff der Clanfürst nur halbherzig ein, im Gegensatz zu Sandor, der den Angreifer vor die Tür setzte.
    Sogar Fleming, dessen Fertigkeiten die meisten der Überlebenden ihre gerichteten Knochen und verbundenen Wunden verdanken, wurde von einem kleinen Jungen angespuckt.
    »Aureljo hat recht, wir können nicht hierbleiben«, meint Tycho. »Was soll das für ein Leben sein? Von allen verachtet, ohne Perspektive. Gestern habe ich Sandor erzählt, dass ich ein Aufgelesener bin, aber es war ihm völlig egal. Sie hassen uns und ich kann es sogar verstehen.«
    »Das muss ja nicht so bleiben«, meldet sich Dantorian zu Wort. »Sieh dir Lennis an, er ist einer von ihnen geworden.«
    »Ja, aber er ist übergelaufen. Freiwillig. Uns haben sie gefangen genommen.«
    »Wir gehen auf keinen Fall zurück.« Fleming hat den ganzen Abend über kaum gesprochen, man sieht ihm die Erschütterung über das, was er bei den Flüchtlingen gehört und erlebt hat, an. »Egal, was wir tun, wir halten uns von den Sphären fern. Sie werden uns nicht schonen, Aureljo. Siehst du denn nicht, was sie alles tun, um uns zu töten? Sogar jetzt noch, hier draußen?«
    Wir sollten auf Fleming hören, denke ich, während mir die Augen zufallen. Er schätzt die Situation richtig ein, er wird Aureljo überzeugen und die anderen sowieso … Er wird … Weitere Gedanken bekomme ich nicht mehr zustande, ich bin zu müde.
    Irgendwann höre ich jemanden »Salvator« sagen oder »Salvator überprüfen«. Aber vielleicht träume ich das auch nur.
     
    Am nächsten Morgen nimmt Tomma mich mit zu den Ziegen. Sie haben sie als Hirtin eingeteilt, gemeinsam mit anderen Mädchen – eins davon erkenne ich wieder, von meinem kurzen Abstecher in die Nähkammer. Es ist das Mädchen mit den versengten Haaren und sein Name ist Dinah, wie ich jetzt erfahre.
    »Verrate ihr nichts«, zischt sie, als Tomma mir die anderen vorstellt. »Yann sagt, sie sind Spione.«
    »Sind sie nicht und das hat er längst begriffen. Außerdem bin ich eine von ihnen, hast du das vergessen?«
    »Stimmt gar nicht«, protestiert Dinah. Im nächsten Moment ist sie davongesprungen, einem flüchtigen Zicklein hinterher.
    »Ist das wahr?«, frage ich. »Ist Yann vernünftig geworden?«
    »Natürlich. Er ist klug, aber er hasst die Lieb … die Sphärenbewohner. Uns. Sie haben fast seine ganze Familie getötet.« Sie sieht mich kurz von der Seite an und wischt sich mit der Hand über die Nase. »Dafür hat er schon acht Sentinel erledigt, sagt er. Er unterscheidet genau, verstehst du? Wir sind nur Bewohner, das ist etwas anderes. Wir tragen keine Waffen.«
    Leider, denke ich, als kurz darauf eine Gruppe Scharten auf einer Hügelkuppe auftaucht. Sie haben es auf die Ziegen abgesehen, die mit zurückgezogenen Lippen an den zartgrünen Trieben der jungen Fichten knabbern.
    »Feindclan!«, kreischt Dinah, doch die

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