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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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und ich kann fühlen, dass er ein Lachen unterdrückt, »stecken wir mittlerweile ja wirklich mit den Außenbewohnern unter einer Decke. Wir sammeln für sie Rohstoffe, befreien ihren Boden von Schnee und du hast heute ihre Ziegen gehütet.« Er hält mich ein Stück von sich weg und ich kann nicht anders, als in sein Lachen einzustimmen, obwohl mir überhaupt nicht danach zumute ist.
    Es stimmt, wir haben nicht genehmigten Kontakt zu sphärenfremden Zivilisationsgruppen, wie es in der Amtssprache der Sphären heißt. Dafür kann man abgemahnt werden und in schweren Fällen wird man bestraft.
    Ich küsse Aureljo auf den Hals, den Mund, die Stelle unter seinem Ohr, wo meine Lippen die dünne weiße Linie einer Operationsnarbe finden. »Endlich ein Vorwurf, der sich greifen lässt.«
     
    Ich sehe Quirin und Fiore auf der freigewaschenen Straße näher kommen, als ich gerade nach einem Versteck für mein Schreibpapier suche. Im Keller ist es nicht sicher. Was ich brauche, ist ein unbewohntes Gebäude, das nicht aussieht, als würde es jede Minute einstürzen, und in dem sich ein trockener, wettergeschützter Fleck findet.
    Dass ausgerechnet Quirin und Fiore mich suchend umherstreifen sehen, ist mir unangenehm. Wenn ich das Papier nicht unterschlagen hätte, wäre es vermutlich bei ihnen gelandet.
    »Ria.« Quirin reicht mir die Hand und ich erwidere den festen Druck ebenso wie seinen konzentrierten Blick, mit dem er mich mustert. Ein wenig erinnert es mich daran, wie die Chirurgen im Medcenter mich begutachtet haben, bevor sie mir die Schnittlinien für die geplante OP ins Gesicht zeichneten.
    »Ich möchte mit Aureljo sprechen«, erklärt Quirin. »Kannst du mir sagen, wo ich ihn finde?«
    »Er hilft dabei, Fleisch in der Räucherkammer aufzuhängen.«
    »Gut, dann weiß ich, wo ich suchen muss.« Noch hat Quirin meine Hand nicht losgelassen. Wir stehen einander gegenüber und er forscht in meinem Gesicht. Wartet er darauf, dass ich den Blick abwende?
    »Wie alt bist du, Ria?«, fragt er, als er endlich seinen Griff um meine Hand löst. »Siebzehn? Achtzehn?«
    »Achtzehn. Ich hätte im nächsten Jahr die Akademie beendet.«
    »Ich verstehe. Und Tomma?«
    »Sechs Monate älter als ich. Wir hätten gleichzeitig unseren Abschluss gemacht.« Hätten. Manchmal nimmt mir die Trauer um die verloren gegangenen Möglichkeiten fast den Atem.
    »Ein halbes Jahr nur. Kaum zu glauben. Aber Tycho ist jünger als ihr anderen, nicht?«
    Wieso interessiert ihn das so? »Ja, noch nicht ganz sechzehn.« Ich überlege, ob ich Quirin mehr anvertrauen soll, und finde die Vorstellung reizvoll. Ich bin neugierig auf seine Reaktion. »Sein genaues Geburtsdatum kennt er selbst nicht. Tycho ist ein Aufgelesener.«
    Das leichte Zucken seines Kopfes verrät Quirins Überraschung. »Ein was?«
    »Ein Aufgelesener. Das heißt, er wurde von seinen Eltern vor einer der Sphären ausgesetzt. Das passiert oft, und jetzt, nachdem ich selbst erlebt habe, wie schwierig euer Leben ist, verstehe ich es.« Das schreiende Mädchen fällt mir ein, das Mädchen, das ich zu Baja geschickt habe. Es fühlt sich an, als sei das Jahre her.
    Bitteres Lachen. Es ist Fiore, die ein Stück hinter Quirin steht, kopfschüttelnd und mit verschränkten Armen. »Aufgelesen«, zischt sie.
    »Ruhig, Fiore.« Schwingt da eine Warnung in Quirins Stimme mit?
    »Sie glauben wirklich, wir setzen unsere Kinder aus, sie –«
    »Ruhig, sagte ich. Das soll ja tatsächlich schon passiert sein, nicht wahr?«
    Fiore verstummt.
    »Allerdings«, stimme ich zu, froh darüber, endlich etwas Gutes über die Sphären erzählen zu können, von dem ich sicher sein kann, dass es wahr ist. »Wir kümmern uns um diese Kinder, sie wachsen auf wie wir Vitros. Und wenn sie begabt sind, haben sie alle Chancen auf eine Karriere. Tycho ist einer von ihnen.«
    Es ist hochinteressant zu beobachten, wie es hinter Quirins Stirn arbeitet. »Weißt du, wo er aufgelesen wurde?«
    »Nein. Aber auf jeden Fall nahe einer Sphäre. Das machen die Mütter immer so. Sie sorgen dafür, dass die Kinder nicht erfrieren, bevor sie gefunden werden.«
    Eigentlich müsste Quirin das wissen, aber er nickt nicht bestätigend, sondern verschränkt die Arme vor der Brust. »Wie beruhigend. Und ihr anderen, ihr Vitros, ihr nehmt Tycho seine primitive Herkunft nicht übel?«
    »Nein.« Ich wähle meine Worte sorgfältig. »Das steht uns nicht zu. Er wurde ja von den Sphären großgezogen. Damit ist er uns gleichgestellt.«
    »Euch

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