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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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gesehen. Drei! Ich glaube, es waren rote. Wenn sie die Umgebung erkunden, um einen Angriff vorzubereiten, und wenn sie über die Siedlung herfallen, werden nicht nur wir getötet, das weißt du.«
    Durch den Schlamm laufen vier Kinder, in der Hand einen Ball aus Stofflumpen. Unter ihren Schritten spritzt schmutziges Wasser auf.
    Natürlich hat Aureljo recht. Dadurch, dass Quirin uns schützt, gefährdet er seinen eigenen Clan. Auf die Frage, warum er das macht, hat er mir keine Antwort gegeben, doch ich bin mir sicher, dass er es nicht grundlos tut.
    Ich kann Aureljos Gedanken nachvollziehen. Wenn wir nur einen Funken Anstand in uns haben, dann gehen wir freiwillig – vorausgesetzt, man lässt uns.
    Nur, dass es für ein Weiterziehen eigentlich zu früh ist. Dantorian kann keinesfalls größere Strecken bewältigen. Wir brauchen mehr Zeit, wir brauchen einen Plan, wir …
    »Wenn wir fortgehen, brauchen wir ein Ziel«, sage ich und in Aureljos Augen leuchtet etwas auf. Er hat sich also schon etwas überlegt.
    »Vienna 2.« Er lächelt und nimmt meine Hände zwischen seine. »Eine höchstens mittelgroße Sphäre, neun Kuppeln. Viele natürlich gezeugte Einwohner, es gibt eine Weberei und eine Färberei, ein Arboretum und –«
    »Woher weißt du das alles?«, unterbreche ich ihn alarmiert.
    Er hält meine Hände fest, lässt nicht zu, dass ich sie zurückziehe. »Nein, ich bin nicht der Verräter«, sagt er ruhig. »Ich glaube auch nicht, dass es ein anderer aus unserer Gruppe ist. Mit dieser Behauptung wollen sie uns in die Irre führen, Ria. Es ist eine Taktik, die Morus ausgebrütet haben könnte. Strategische Wahrheitsbeugung, darin hat er uns unterrichtet.«
    Das wusste ich nicht. Morus, ja, ihn kann ich mir als Absender dieser so wohlgemeint klingenden Nachrichten vorstellen.
    »Vor ein paar Tagen, als ich mit den Jägern unterwegs war, habe ich mit einem Grenzgänger gesprochen«, fährt Aureljo fort. »So nennen sie diejenigen, die zwischen Clans und Sphären pendeln, ohne zu den einen oder den anderen zu gehören. Sie treiben Handel mit beiden Gruppen, bleiben aber meistens für sich.«
    »Aha. Und dieser Grenzgänger weiß, wie es im Innern von Vienna 2 aussieht.«
    »Er wusste, was dort hergestellt und erforscht wird; er hat mir erzählt, dass er einige der Bücher, die von den Sammlern gefunden wurden, dorthin verkauft hat.« Aureljo zieht mich an sich. »Das heißt, Vienna 2 hat eine Bibliothek, Ria. Es wird nicht das Gleiche sein wie bei uns zu Hause, aber wir werden in dieser Sphäre leben können.«
    Er nimmt mich auf den Arm. Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen.
    Ich mache mich von ihm los. »Du hast eine winzige Kleinigkeit vergessen. Dass sie uns nämlich töten wollen, so ziemlich um jeden Preis. In Vienna 2 werden wir höchstens ein paar Stunden lang überleben.«
    »Es muss natürlich alles gut geplant werden.« Mit einer Hand schirmt Aureljo seine Augen ab und betrachtet den rötlichen Schimmer hinter den Wolken. Eine späte Sonne, die im Begriff ist zu sinken. »Sie haben unseren Tod bekannt gegeben, das hast du selbst gesagt. Wenn wir unsere Salvatoren abnehmen und du dir zum Beispiel das Haar abschneidest, könnten wir uns als Reisende aus einer anderen Sphäre ausgeben, die nach einem Überfall Schutz suchen. Natürlich werden sie auf die Täuschung nicht lange hereinfallen, aber wir haben die Chance, den Irrtum aufzuklären, der uns hierher gebracht hat. Du hast es vielleicht vergessen, aber wir sind weder Verschwörer noch Verräter. Im Gegenteil, wir sind die Verratenen!«
    Mit jedem Satz ist Aureljo lauter geworden und ich lege einen Finger auf seine Lippen. Ich kann mich nicht erinnern, ihn je so aufgebracht gesehen zu haben, er muss sehr verzweifelt sein, um einen so löchrigen Plan überhaupt in Erwägung zu ziehen.
    »Dass wir für tot erklärt wurden, habe ich von der gleichen Quelle wie die Information, dass unter uns jemand ist, der uns ausliefern möchte. Willst du dem Absender nun glauben oder nicht?« Ich verschränke die Arme vor der Brust. Mein Tag war anstrengend, das ist wohl der Grund, warum ich so gereizt klinge. Das Papier an meiner Haut fühlt sich steif und kratzig an.
    »Sie werden uns identifizieren und unsere Heimatsphäre informieren. Dann dauert es höchstens einen Tag, bis die Exekutoren zur Stelle sind. An der Akademie war dein Schwerpunkt doch Führung und Strategie«, ich sehe Aureljo scharf an. »Wie würdest du erklären, dass du sechs

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