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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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vielversprechende Studenten begräbst, dass du Särge verbrennst, in denen sich angeblich ihre Leichen befinden – und dann laufen sie quietschlebendig in Sphäre Vienna 2 herum? Das würde deiner Glaubwürdigkeit ziemlich schaden, nicht? Man würde sich fragen, wieso du deinen Leuten solche Lügen auftischst. Unangenehme Situation. Sich da rauszuwinden ist kein Vergnügen, da lässt man doch lieber die sechs Studenten verschwinden, ob schuldig oder nicht.« Ich erzähle Aureljo nichts Neues, er will es nur nicht wahrhaben.
    »Wir sind heute noch gefährdeter als am Tag unserer Abreise. Wenn sie uns am Leben lassen, könnten wir in den Sphären berichten, dass die Exekutoren uns töten wollen. Wir wissen zudem von den Massakern an den Clans. Und ich denke, der Sphärenbund wäre nicht begeistert, wenn wir genauer nachfragen oder unser neues Wissen herumerzählen.«
    Jetzt bin ich es, die nach seiner Hand greift. »Und das würden wir, oder? Wir könnten nicht so tun, als wären wir den überlebenden Noranern nicht begegnet.«
    Die Erwähnung der Noraner lässt Aureljo sofort das Thema wechseln. »Dein Arm! Besser heute?«
    »Vergiss meinen Arm!« Allmählich werde ich richtig wütend.
    Durchatmen. An fließendes Wasser auf runden Steinen denken. Durch Lautstärke überzeugt man niemanden.
    »Allein die Tatsache, dass du einen Sentinel getötet hast, macht es uns unmöglich zurückzukehren. Sie würden einen Grund und einen Weg finden, um uns wieder verschwinden zu lassen, und diesmal endgültig.«
    Vor vier Tagen dachte ich noch, Aureljo würde ein Leben außerhalb der Sphären in Betracht ziehen. Als er von den steigenden Temperaturen im Süden gesprochen hat, mit so viel Sehnsucht in der Stimme. Aber wer weiß, vielleicht habe ich sein Verhalten falsch gedeutet.
    Die Sonne ist nun fort, geblieben ist nur ein rötlich violetter Streifen am Horizont. Die schwarzen Silhouetten fliegender Vögel heben sich wie Scherenschnitte davon ab. Ich frage mich, ob unter ihnen ein Falke ist.
    »Aber es ist unsere einzige Möglichkeit«, sagt Aureljo Minuten später. »Wir können nicht hierbleiben und allein in der Wildnis schaffen wir es nicht. Dass wir sterben, ist also wahrscheinlich, aber wenn wir in eine Sphäre gehen, besteht wenigstens die Chance, dass wir herausfinden, weswegen. Ich will hören, was sie uns vorwerfen, ich ertrage diese Ungewissheit nicht.«
    In diesem Punkt sind wir uns zumindest einig. Doch was unser Überleben in der Außenwelt angeht, bin ich optimistischer. Häuser, die sich bewohnen lassen. Sonne, fast jeden Tag. Regen, der den Schnee fortwäscht. Tauwetter. Wir haben eine Chance.

29
    In der Halle läuft mir Tomma über den Weg. Gemeinsam mit einem Prim-Mädchen trägt sie eine Plastikwanne voller flacher Klumpen herein, die merkwürdig riechen. Das Mädchen wirkt ihr gegenüber nicht feindselig, im Gegenteil, die beiden lachen und verstehen sich offenbar bestens.
    Als Tomma die Halle wieder verlassen will, halte ich sie an der Tür auf. »Wo steckst du die ganze Zeit? Wir haben uns Sorgen gemacht.«
    Sie strahlt mich an, ihre Fröhlichkeit ist echt. »Das müsst ihr nicht. Mir geht es gut, wirklich.« Sie will weiter, aber ich halte sie am Arm fest. Die Gelegenheit ist günstig, es sind kaum Leute hier, und die wenigen beachten uns nicht.
    »Lassen sie dich nicht mehr zu uns? Warum warst du nicht mehr im Keller? Nur wegen Yann?«
    Ihr Blick, der auf den Boden gerichtet ist, die verlegene Geste, mit der sie sich die Haare aus der Stirn streicht, das alles sagt mir genug. Es war ihre eigene Entscheidung.
    »Ich weiß, es ist schwer zu verstehen«, sagt sie zögernd. »Aber ich fühle mich hier so lebendig. Die Leute sind ganz anders als zu Hause.« Jetzt sieht sie mir in die Augen. »An der Akademie ist es nur um Leistung gegangen, um Punkte, um den Platz in der Reihung. Und weißt du, hier arbeiten auch alle hart, aber sie haben auch wirklich etwas von dem, was sie tun. Fleisch oder Wolle oder Brennstoff. Und wenn sie mit der Arbeit fertig sind, gehört die Zeit ihnen allein.« Ihr Blick bekommt etwas Herausforderndes. »Soll ich dir erzählen, was ich heute gemacht habe? Getrocknete Ziegenscheiße zu Briketts gepresst. Die werden verheizt. Und es war zwar eklig, aber das hat mich keine Sekunde lang gestört. Und die Leute sind so anders als bei uns. Irgendwie … echter. Und nicht nur deshalb, weil sie keine Vitros sind.«
    Ich verstehe, was sie meint, trotzdem kann ich mir ein Lächeln nicht

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