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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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selbstständig. Neue Fragen, ständig neue Fragen.
    Halten sich noch mehr Exekutoren in unserer Umgebung auf? Finden sie vielleicht gerade die Leichen ihrer Gefährten und setzen uns nach?
    »Nicht so schnell.« Sandor hält mich an der Schulter zurück. »Wenn du zusammenbrichst und ich dich den Rest des Weges tragen muss, sind wir leichte Beute.«
    Neue Fragen in meinem Kopf: Warum lässt er mich nicht einfach zurück oder schickt einen seiner Jäger mit mir zum Clanhaus?
    Ich werde nicht schlau aus Sandors Verhalten. Viel einfacher ist es, die Noraner zu verstehen, die mir bei unserem Eintreffen vor die Füße spucken, lachend auf meine Wunde deuten und mich anrempeln, bis Sandor sie in ihre Schranken weist.
    Sie hassen mich und ich weiß, warum. Damit kann ich umgehen.

31
    Am Abend verarztet Fleming mich, wieder schweigend, das Gesicht zur Hälfte hinter dem Mundschutz verborgen, seine Latexhandschuhe sehen mitgenommen aus. Wenn sie kaputtgehen, haben wir keinen Ersatz mehr.
    Unter dem frisch angelegten Verband pocht und brennt es und meine Stimme macht keine Anstalten zurückzukehren. Im Gegenteil. Alle Versuche, zu sprechen oder zu schlucken, fühlen sich an, als würde mir jemand Messer in den Hals rammen.
    Essen ist unmöglich, aber ich habe ohnehin keinen Hunger. Trinken muss ich allerdings und es ist eine qualvolle Prozedur. Ein halber Becher Schmelzwasser in winzigen Schlucken bedeutet zwanzig Minuten Leiden.
    Die anderen sind bestürzt. Ich kann ihnen nicht erzählen, was passiert ist, das hat Sandor für mich erledigt, in knappen, präzisen Worten.
    »Woher wussten sie, dass du es bist?«, fragt Tycho fassungslos. »Wir sehen doch aus wie Pri … wie Außenbewohner. Ehrlich. Als die Mädchen heute vom Ziegenhüten zurückgekommen sind, dachte ich, es seien alles Dornen, dabei war Tomma unter ihnen.«
    Aureljo, der den Tag wieder bei Quirin verbracht hat, sitzt mir später blass und schweigsam gegenüber.
    Als wäre der rote Ring um meinen Hals eine Art Eintrittskarte, haben die Dornen unser Quartier verlegt. In einen großen Raum mit vernagelten Fenstern. Kleine Lücken sind mit transparentem Plastik abgedeckt, dort fällt spärliches Licht herein.
    »Trotzdem gehe ich zurück, Ria.« Aureljos Hände, die meine halten, sind warm und trocken. »Jetzt erst recht. Sie müssen uns Rede und Antwort stehen.«
    Was ich nicht sagen kann, versuche ich in meinen Blick zu legen: Gar nichts müssen sie. Sie werden dich fangen und töten, so wie sie es schon die ganze Zeit tun wollen. Verschwörer sind hinzurichten, sagt das Gesetz; wer die Existenz der Sphären aufs Spiel setzt, hat sein Leben verwirkt.
    Doch Aureljos Ausbildung muss wesentlich stärker auf Sphärentreue ausgerichtet gewesen sein als meine. Die viel zitierte »Gerechtigkeit«, von der man uns immer erzählt hat, er glaubt noch daran.
    Vielleicht muss er aber auch gar nicht bis nach Vienna 2, um seine Fragen stellen zu können. Ich strecke mich auf dem Boden aus und denke an den toten Sentinel, der auf meinen Beinen lag. Gut möglich, dass auch Aureljo in den nächsten Tagen ein Trupp Exekutoren über den Weg läuft, und dann: viel Vergnügen.
    »Schlaf gut, Ria«, sagt er und streicht mir so zärtlich über die Stirn, dass ich meine grausamen Gedanken sofort bereue.
     
    Ich kämpfe lange um Schlaf. Aureljo und die anderen sind in der Halle und essen, wahrscheinlich ist der Überfall der Exekutoren Thema Nummer eins. Ich frage mich, ob die Jäger noch Beute nach Hause gebracht haben.
    Irgendwann muss ich doch eingeschlafen sein, tief, denn ich höre die anderen nicht hereinkommen. Doch als ich aufwache, sind sie da, das Zimmer ist erfüllt von Atemgeräuschen und leisem Schnarchen. Doch das war es nicht, was mich geweckt hat. Und auch nicht die Schmerzen, die sich aber sofort wieder einstellen, kaum dass ich wach bin.
    Es war mein Salvator. Ich drehe mich zur Seite und schiebe den linken Ärmel zurück.
    Blaues Flackern. Und eine Nachricht, die ich leider nicht entziffern kann. Das Display zeigt bloß Wortfragmente, deren Sinn ich nicht verstehe: … e … ss … n … o … hr … id … mi … ha … uc … err … e … F. . ht!
    Die letzten Buchstaben vor dem Ausrufezeichen könnten Flucht bedeuten. Nein … es ist eine Aufforderung: Flieht!
    Hektisch schüttle ich meinen linken Arm, in der Hoffnung, der Salvator würde für einen Moment wieder funktionieren und die Textlücken füllen. Aber ich erreiche lediglich, dass die Displaybeleuchtung

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