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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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Buch heißen. Mit den anderen Wortfetzen ist es ähnlich. Kein einziger ist eindeutig, trotzdem bin ich bereit, den ganzen restlichen Tag mit dem Rätsel zu verbringen. Doch dann bringen sie Tycho zurück und alles andere tritt in den Hintergrund.
     
    Es hat ihn schlimmer erwischt als mich. Diesmal haben die Exekutoren sich nicht mit Seilen und vergleichbarem Kleinkram aufgehalten. In Tychos Schulter steckt eine Kugel und seine ganze linke Seite ist voller Blut.
    Andris hat ihn zurückgetragen und Fiore hat ihn begleitet. Sie ist es auch, die einen ersten notdürftigen Verband angelegt hat.
    »Bringt aber nicht viel«, sagt sie, während sie die Binden wieder löst.
    Tycho liegt auf dem großen Tisch in der Halle, sein Gesicht ist so weiß, dass die Sommersprossen darauf plötzlich wie Krankheitsmale wirken.
    Wie ist das passiert?, will ich fragen und ihnen außerdem klarmachen, dass jemand Fleming samt seinem Medpack holen muss. Doch sosehr ich es auch versuche, ich bekomme kein Wort heraus, nicht einmal ein Krächzen.
    Aus der Küche kommt heißes Wasser in einem nicht allzu gut geputzten Topf und ein Haufen löchriger Tücher. Fiore beginnt mit dem Säubern der Wunde. Ich helfe ihr, obwohl niemand mich dazu aufgefordert hat, aber irgendetwas muss ich tun.
    Tycho, ausgerechnet. Ihn hatte ich die ganze Zeit über im Verdacht, der Verräter zu sein, aber würden die Exekutoren dann versuchen, ihn zu töten?
    Wer weiß. Mittlerweile halte ich alles für möglich.
    Die Blutung ist noch nicht gestoppt, aber sie ist schwächer geworden. Gemeinsam legen wir Tycho einen festen Verband an.
    Fleming, forme ich mit den Lippen. Bitte.
    Bei meinem dritten Versuch begreift Fiore, was ich will. »Hol den Großen von der Jagd«, sagt sie zu Andris gewandt. »Du weißt, welchen ich meine. Den, der fast so lang ist wie du. Sandor hat gesagt, sie gehen heute in Richtung Westen.«
    »Wozu?«, protestiert Andris. »Der da schafft das auch so. Ich habe mir eine Pause verdient, und überhaupt komme ich mir langsam vor wie der Laufbursche dieser Lieblinge.«
    Am Ende geht er doch. »Bin ich froh, wenn die endlich alle abgekratzt sind«, knurrt er, aber es klingt versöhnlich.
    Tycho zittert jetzt, seine Zähne klappern. Ich reibe seine Arme, seine Beine, ein Schock durch Blutverlust kann tödlich ausgehen.
    Fiore versucht zunächst, meine auffordernden Blicke zu ignorieren, aber ich lasse nicht locker. Und als ich mit einer von Tychos Händen ihre Schulter berühre, seufzt sie schließlich resigniert und tut es mir gleich.
    »Sieben Exekutoren, darunter ein Hauptmann, meint Andris. Sie hatten es nur auf Tycho abgesehen. Ich bin erst später dazugekommen, aber Andris sagt, einer der Sentinel hätte ihm zugerufen, sie wollten niemanden aus dem Clan verletzen. Gegenwehr sei also gar nicht nötig und Angst erst recht nicht. ›Wir sind diesmal nicht euretwegen hier, aber keine Sorge, ihr kommt auch wieder dran‹, soll er gesagt haben.«
    Und das hat Andris geglaubt?, würde ich gern fragen.
    »Er hat natürlich trotzdem Pfeile auf sie abfeuern lassen, deshalb ist Tycho nur einmal getroffen worden, denke ich. Oder weil sie dachten, sie waren erfolgreich. Es hat ihn von den Füßen gerissen und er wurde gegen eine Hauswand geschleudert. Seitdem ist er bewusstlos.«
    Es hat keinen Sinn, mir länger etwas vorzumachen. Gestern, mit dem Angriff auf mich, haben die Exekutoren die Jagd auf uns eröffnet. Aber sie geben sich große Mühe, dabei nicht allzu viel Wind zu machen – natürlich, denn wir sind ja offiziell tot. Da ein Schuss, dort eine Schlinge und ganz schnell werden aus sechs Verschwörern fünf, dann vier, bis irgendwann keiner mehr übrig ist.
    Vienna 2, wo man Stoffe webt und färbt, muss davon nichts mitbekommen. Auch die Borwin-Akademie nicht, wo die Tränen um uns längst getrocknet sind und es sich die Studenten auf ihren neuen Rängen bequem gemacht haben.
    Und letzte Nacht kam die Nachricht, die zu entziffern mir immer noch nicht gelungen ist. Aber ich habe mir die Buchstaben eingeprägt, und als ich sie mir jetzt ins Gedächtnis rufe, findet sich plötzlich ein Zusammenhang, ein möglicher Sinn. Zumindest für den ersten Teil der Buchstaben: … e … ss … n … o … hr … id …
    Sie wissen, wo ihr seid.
    Es gibt keine Garantie, dass ich richtigliege, aber ich würde eine Menge darauf wetten.
    Flieht.
    Ich sehe auf Tycho hinunter, der stoßweise atmet. Seine Stirn ist schweißnass. Fliehen, das wäre schon vor seiner

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