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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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Möglichkeit besteht, die Dinge aufzuklären.« Er macht einen Schritt auf Fleming zu, doch der weicht kopfschüttelnd zurück.
    »Dann eben nicht.« Man sieht Aureljo die Verärgerung an, aber seine Stimme klingt freundlich, als er auf Tycho deutet. »Was denkst du, wie oft so etwas noch gut gehen wird? Du hast es eben selbst gesagt – nur dass ich persönlich vier Monate recht optimistisch finde. Wir haben nicht gelernt, draußen zu überleben. Auch wenn der Bund die Suche nach uns aufgeben sollte, verhungern oder erfrieren wir im nächsten Winter, wenn der Schnee wieder meterhoch liegt. Auch das war eins deiner eigenen Argumente.«
    In Flemings Gesicht arbeitet es. Als wollte etwas aus ihm herausbrechen. »Hier haben wir wenigstens eine Chance«, presst er hervor. »Die du wegwerfen willst. Und natürlich werden die anderen dir folgen, denn genau darin bist du gut: Leute auf deine Seite zu ziehen.«
    Normalerweise würde ich jetzt einschreiten, mit ein paar geschickten Worten die Wogen glätten. Doch stumm, wie ich bin, könnte ich höchstens versuchen, Aureljo aus dem Streit herauszuholen, ihn berühren, seine Aufmerksamkeit gewinnen und ihn aus der Halle führen – was aber ganz klar danach aussehen würde, als wäre ich seiner Meinung und auf seiner Seite.
    Wenigstens Tomma könnte etwas sagen, aber sie tut so, als ginge sie das Thema nichts an. Weil sie schon längst beschlossen hat hierzubleiben. Bei Yann und den Bäumen.
    »Du wirst erst zufrieden sein, wenn wir alle tot sind«, zischt Fleming, bevor er sich wieder ganz Tycho zuwendet. Von dort, wo ich stehe, sieht es so aus, als würden seine Hände zittern.
    »Ich werde erst zufrieden sein, wenn ich alles weiß.« Damit verlässt Aureljo die Halle. Quirin suchen, vermute ich, selbst erstaunt darüber, wie sehr mich der Gedanke stört. Ich wünschte, wir könnten unsere Entscheidungen allein treffen, nur wir sechs. Ohne Einmischung von außen und ohne Streit.
    Kaum fünf Minuten später zieht Fleming die Handschuhe aus. »Könnt ihr kurz bei Tycho bleiben? Wenn er aufwacht, werden seine Schmerzen schlimm sein, und ich habe noch einen kleinen Rest Tabletten in unserem Quartier.« Er sagt Quartier, als wären wir noch in der Sphäre.
    »Ja«, versichert Tomma. »Ja, geh nur.«
    Wir folgen ihm mit unseren Blicken, als er die Halle verlässt. Wie müde er aussieht, denke ich. Aber vielleicht liegt das nur an seiner langen Gestalt, die sofort gekrümmt wirkt, sobald er auch nur die Schultern hängen lässt.
    Vor dem Haus kommt Wind auf. Er pfeift durch die Ritzen und wird die, die noch auf der Jagd oder beim Sammeln sind, wahrscheinlich früher zurückkehren lassen.
    Tomma summt eine Melodie vor sich hin, die ich nicht kenne. »Hast du gewusst, dass das hier vor der Langen Nacht eine Schule war?«, fragt sie nach einiger Zeit.
    Nein, das wusste ich nicht. Aber ich kann es mir gut vorstellen: die vielen Räume, die Flure, die Treppen. Ich wünschte, die Bücher von damals wären noch vorhanden.
    »Yann hat es mir erzählt«, fährt Tomma fort. »Er weiß es von Quirin. Merkwürdig, oder? Wir verlassen eine Akademie und landen in einer anderen.«
    Solche Zufälle, die nach Schicksal aussehen, gefallen Tomma, das war schon immer so. Ich höre ihr nur noch mit halbem Ohr zu, als sie anfängt, von den Ziegenställen zu erzählen, die sich heute dort befinden, wo früher das Körpertraining stattgefunden hat.
    Auf dem Tisch beginnt sich Tycho zu regen, er ist nur halb wach, aber durstig. Ich flöße ihm Wasser ein, bis er schwer atmend zurücksinkt. Tröstende Worte habe ich keine für ihn, nicht nur wegen meiner Stummheit. Unsere Lage ist schwieriger als je zuvor, jede Entscheidung kann die falsche sein.
    Ich greife nach seiner Hand. Es ist ein gutes Zeichen, dass sie kalt ist, jedenfalls besser als fieberheiß. Der Puls geht schnell, aber er rast nicht. Trotzdem wünschte ich, Fleming käme allmählich zurück.
    »Er lässt sich ganz schön Zeit«, meint Tomma wie ein Echo meiner Gedanken. »Hoffentlich ist er nicht wieder mit Aureljo aneinandergeraten.«
    Ja, das hoffe ich allerdings auch. Streit innerhalb der Gruppe macht uns noch schwächer, als wir sowieso schon sind.
    Ich werfe einen auffordernden Blick zur Tür und Tomma stutzt einen Moment, dann begreift sie. »Ich soll nachsehen gehen? In Ordnung. Ich hole Fleming zurück, aber dann suche ich Yann, okay? Er wollte mir zeigen, wie man Schuhe näht.« Sie läuft davon, mit hüpfenden Schritten wie ein

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