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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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dann bin ich durch die Öffnung geschlüpft, hinaus ins Freie. Eisige Luft schlägt mir entgegen, der Boden ist mehr als einen Meter unter mir. Ich springe.
    Die Kälte brennt an meinen Füßen. Die Schuhe, die ich trage, sind für den geheizten Boden der Sphären gemacht, nicht für das Laufen im Schnee. Egal, weiter. Neben mir schluchzt jemand auf. Tomma, die von alldem nichts geahnt hat, weil ich es nicht gewagt habe, sie zu warnen. Ihr Gepäck ist im Zug geblieben.
    Ein Schrei hinter uns. Vielleicht war das einer der Angreifer, vielleicht schaffen es die zwei noch lebenden Kommando-Sentinel ja, die Farblosen außer Gefecht zu setzen. Obwohl es sich nicht so anhört, denn die Leute vom Kommando töten für gewöhnlich schnell und lautlos. Wieder schreit jemand, es klingt entsetzlich.
    »Lauft!« Aureljo zieht Tomma mit sich, die sich sträubt, Fleming ist viel zu langsam. Begreifen sie denn nicht? Um Dantorian muss ich mir immerhin keine Sorgen machen, er holt zu Tycho auf, der ganz vorn läuft. Immer wieder schlägt er Haken, flink wie ein Tier, das es gewohnt ist, gejagt zu werden.
    Hinter uns Rufe, kurze Befehle. Ein Geräusch, als würde jemand schwere Säcke in den Schnee werfen. Ich will mich umsehen, aber das wäre ein Fehler, ich muss mich aufs Laufen konzentrieren. Wenn ich stolpere oder im Schnee einbreche, ist das mein Ende.
    Wir halten auf die Ruinen zu, die wir vom Zug aus gesehen haben, rennen, so schnell wir können, sie sind unsere einzige Chance auf Deckung, jede Sekunde Vorsprung ist kostbar.
    Hinter mir knackt etwas und ich werfe nun doch einen Blick über die Schulter. Es sind die beiden farblosen Sentinel mit den merkwürdigen Waffen. Einer von ihnen legt gerade eine Art Pfeil auf. Ich ducke mich, es sirrt, mehr passiert nicht.
    Der zweite hält den Dornenstock in der Linken und eine lange Klinge in der Rechten. Ich renne schneller, der Schnee schneidet schmerzhaft in jedes Stück Haut, dass er ungeschützt vorfindet.
    Dann stürzt Tomma, weniger als zehn Meter vor mir. Sie werden sie kriegen.
    Ich bleibe stehen.
    Es ist ein Reflex, keine bewusste Entscheidung. Unsere Verfolger haben ihre Waffen gezogen und ich ziehe nun meine, obwohl ich weiß, dass sie lächerlich sind im Vergleich zu Klingen, Pfeilschussgeräten und Dornenkeulen.
    Mein ganzer Körper bebt, wehrt sich dagegen, hier auszuharren, bis die Männer mich erreicht haben. Vielleicht schlagen sie mir den Schädel ein, bevor ich auch nur ein Wort gesagt habe. Vielleicht war mein Stehenbleiben die letzte Entscheidung in meinem Leben und die dümmste.
    Aureljo merkt nicht sofort, dass ich zurückgeblieben bin, er hechtet zu Tomma, reißt sie am Arm hoch und zieht sie weiter.
    Gut. Ich drehe mich um. Gleich werden wir wissen, was Graukos Lektionen wert sind.
    Ich lasse das Notfallset fallen und breite die Arme aus, als wollte ich die heranstürmenden Sentinel umarmen. In der aufkommenden Dämmerung sehe ich die zwei Männer auf mich zueilen. Der dritte, der Mann aus der Bibliothek, ist nicht bei ihnen, er ist nirgendwo zu sehen.
    Nun hat Aureljo festgestellt, dass ich zurückgefallen bin. Er schreit, ich kann seine Worte hören, aber ich blende sie aus. Ich muss mich auf die beiden Angreifer konzentrieren.
    Der mit der Stachelkeule ist der größere von ihnen und der mordhungrigere. Er ist dem anderen immer ein bis zwei Schritte voraus. Aber es irritiert ihn sichtlich, dass ich meine Flucht abgebrochen habe, seine Schritte werden kürzer und er wirft hastige Blicke nach links und rechts, als würde er mit einer Falle rechnen. Der andere tut es ihm nach. Wertvolle Information.
    Immer noch ruft Aureljo meinen Namen und ich kann hören, dass er zu mir zurückläuft. Mir wäre es lieber, er würde es nicht tun, aber ich darf mich davon nicht aus dem Konzept bringen lassen. Er wird keinen Fehler machen, das weiß ich.
    Die zwei Sentinel sind höchstens noch fünfzig Meter entfernt. Ich stehe ruhig wie eine Säule, doch die Angst jagt furchtbare Bilder durch meinen Kopf: In wenigen Sekunden werden sie hier sein und der Größere wird mir seine Keule auf den Kopf schlagen, mir die Klinge in die Eingeweide stoßen.
    Außer, ich mache alles richtig.
    Meine Körperhaltung kann man als Aufgeben deuten oder als Ablenkungsmanöver. Das Tageslicht ist schon fast verschwunden, sie müssen also näher kommen, um mir ins Gesicht sehen zu können. Aber das werden sie nur tun, wenn mein Verhalten sie neugierig gemacht hat.
    Ich drehe mich nicht zu ihm um,

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