Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
Vom Netzwerk:
ähnlich. Meine Atemwege sind frei.
    Aber ich darf nicht liegen bleiben, sonst erfriere ich. In meinem Kopf brüllt der Schmerz, doch ich kämpfe mich auf die Beine. Und übergebe mich. Lammstücke landen halb verdaut vor meinen Füßen, dann greift wieder der Schwindel nach mir. Immerhin falle ich nicht in mein eigenes Erbrochenes, jemand umfasst meine Taille und zieht mich an sich.
    Vertrauter Geruch. Aureljo.
    Ich kralle meine Finger in den Stoff seiner Jacke, um Halt zu finden. »Wie lange … war ich …«
    »Zehn Minuten. Ungefähr.« Seine Stimme klingt anders als sonst. Als käme sie von einem fremden Ort in ihm, den er selbst gerade zum ersten Mal sieht.
    »Wo sind die Sentinel? Was ist passiert?«
    Er atmet tief ein und geräuschvoll wieder aus. »Lass uns die anderen suchen. Gleich wird es völlig dunkel sein. Ich trage dich.«
    Er geht in die Knie, will mich auf den Rücken nehmen, da sehe ich es. Deutlicher jetzt. Das Etwas, neben dem ich aufgewacht bin, ist ein Körper, um den herum ein dunkler Schatten wächst. Ich taumele ein paar Schritte näher.
    Blut, das sich in den Schnee frisst.
    »Ich dachte, er bringt dich um … Das Geräusch, das die Waffe an deinem Kopf gemacht hat … Da habe ich … Da bin ich …« Aureljo spricht nicht weiter, sein Blick huscht immer wieder zu der Leiche im Schnee.
    »Ich habe einen Menschen getötet.« Er sagt es so leise, dass ich ihn nur mit Mühe verstehe. Mein schmerzender Kopf lässt mich kaum denken, aber instinktiv tue ich das, was ich gelernt habe. Mut machen. Bestätigung geben. Aureljo darf jetzt nicht zusammenbrechen.
    »Der Sentinel hat mich angegriffen. Du hattest keine andere Wahl. Was ist mit dem anderen passiert? Ist er auch …?«
    »Nein. Er ist zur Magnetbahn zurückgelaufen, kaum, dass ich die Keule aufgehoben hatte. Aber er wird wiederkommen, und das sicher nicht alleine.«
    Ja, damit müssen wir rechnen. Sie sind immer noch zu zweit und der Anführer mit der Raspelstimme wird nicht ein weiteres Mal zulassen, dass sich einer seiner Soldaten einen Befehl ausreden lässt.
    »Wohin führen die Spuren der anderen?«
    Aureljo deutet nach links, zu den Ruinen.
    Ich mache einen Schritt, zwei. Da liegt mein Notfallset. Als ich es aufhebe, leuchtet mein Salvator auf. Ich versuche zu lesen, was auf dem Display steht, doch die Schrift verschwimmt vor meinen Augen. Gehirnerschütterung, vermutlich. Keine große Neuigkeit. Und: Begeben Sie sich in ärztliche Behandlung.
    Ich setze einen Fuß vor den anderen. Zweimal wird mir schwindelig und ich falle hin, doch irgendwann erreiche ich die erste Mauer und halte mich an ihr fest, während die letzten Reste des Eintopfs ihren Weg nach draußen finden. Mein Kopf ist ein einziges quälendes Pochen, als würde jemand versuchen, von innen meine Schädeldecke zu durchschlagen.
    Das erinnert mich an etwas. Ich lasse meinen Rucksack in den Schnee gleiten und hole die kleine Harke heraus. So ausgerüstet fühle ich mich besser, obwohl mir klar ist, dass ich mit einem Gartengerät gegen die Waffen der Sentinel keine Chance habe. Ohnehin fände ich im Moment die Option, meine Schmerzen durch einen Pfeil zu beenden, beinahe wünschenswert.
    »Ria.« Aureljo ist neben mir, stützt mich. »Lass mich dir helfen. Ich trage dich, dann sind wir schneller.«
    Ich möchte nicken, aber ich traue mich nicht. Stattdessen presse ich mir eine Handvoll Schnee gegen die Stirn, hoffe, dass mein Kopf so taub wird, wie meine Finger es schon sind. Nach einiger Zeit hilft es – ein wenig zumindest. Ich lasse mich von Aureljo schultern und beiße bei jedem seiner Schritte die Zähne vor Schmerzen zusammen.
    »Hier sind die Spuren deutlicher.« In seiner Stimme schwingt vorsichtige Hoffnung. Je besser die Spuren zu lesen sind, desto schneller führen sie uns zu den anderen.
    Nur leider auch all jene, die uns folgen.
    Nach gut fünfzehn Minuten haben wir den Teil der Siedlung erreicht, wo die Ruinen dichter beieinanderstehen. Aureljo lässt mich vorsichtig von seinem Rücken gleiten. Er setzt mich auf einen kleinen Trümmerhaufen, von dem er mit den Händen den Schnee gefegt hat. Aus einem der Notfallsets holt er eine hauchdünne Decke, in die er mich einwickelt, außerdem ein Paar Thermosocken und -schuhe. Es ist nicht einfach, meine gefühllosen Füße hineinzuzwängen, aber am Ende klappt es.
    »Warte hier, ich bin gleich wieder da. Ich bleibe in Rufweite, aber alleine finde ich schneller heraus, wohin die Spuren

Weitere Kostenlose Bücher