Die Verratenen
endgültig.
Ich muss einen Fehler gemacht haben. Nicht, was den Ton betrifft, der war korrekt, aber was war es dann?
Gegenüber falsch eingeschätzt, hat Grauko mir gelegentlich an den Kopf geworfen.
Natürlich, daran liegt es. Ich kann mit den Wilden nicht wie mit Sphärenbewohnern umgehen. Nur dass ich bisher nie mit jemand anderem zu tun hatte. Und wenn Grauko während einer Übung einen Prim verkörpert hat, dann war er im Kern immer noch der kultivierte, kluge Grauko. Wenn ich uns retten will, muss ich anders denken. Was könnte uns für diese Leute interessant genug machen, damit sie uns am Leben lassen?
Ich höre, wie Tycho leise auf Tomma einredet. Ich hoffe, er schafft es, sie zu beruhigen.
»Ich frage mich, woran es liegt, dass in letzter Zeit alle Welt scharf darauf ist, uns zu töten«, sage ich leichthin, an Aureljos Adresse gerichtet. »Wir müssen etwas wirklich Gefährliches an uns haben. Erst die Sentinel, jetzt die Menschen von außerhalb. Wenn Sie uns töten«, das geht wieder an die Prims, »dann sollten Sie sich vom Sphärenbund dafür belohnen lassen. Sie nehmen der Regierung Arbeit ab.«
Natürlich ist das Manöver durchschaubar. Aber man muss uns nur ansehen – schlecht ausgerüstet, ohne Nahrung, ohne Schutz –, um sich die Frage zu stellen, wie wir in diese Situation geraten sind. Der Prim, der Sandor heißt, scheint genau das gerade zu tun.
»Eine Belohnung aus den gläsernen Warzen?«, fragt er. »Wie verlockend. Was werden sie uns geben? Stahl und Tod in der Nacht, wie so oft?«
Ich weiß nicht, wovon er spricht. Die gläsernen Warzen bringen mich aus dem Konzept. Ich frage mich, ob unsere Sphären auf die Außenbewohner tatsächlich so wirken. Für mich sehen sie wie wunderschöne, aneinandergereihte Seifenblasen aus, die in der Nacht leuchten. Dass ich mich jetzt, trotz allem, was passiert ist, so schmerzlich dorthin zurücksehne, zeigt, in welcher labilen Verfassung ich bin.
Da mir die Kraft für Taktik fehlt, nutze ich eben die Kraft der Wahrheit. »Der Sphärenbund hält uns für Verräter. Uns alle sechs. Es heißt, wir seien an einer Verschwörung beteiligt, die den Bund zu Fall bringen soll.« Drücke ich mich zu kompliziert aus? Sandors gerunzelte Stirn verleiht ihm einen konzentrierten Eindruck, aber es könnte auch Verwirrung sein. Wer weiß das schon bei einem Prim.
»Sie glauben, wir haben uns mit euch verbündet. Ist das nicht witzig? Deshalb haben sie uns unter einem Vorwand aus der Sphäre geschafft, um uns zu töten, aber es ist schiefgegangen.« Das muss auch für einen Wilden verständlich gewesen sein.
Er neigt misstrauisch den Kopf. »Wie seid ihr hergekommen?«
»Mit der Magnetbahn.«
»Wer hatte den Befehl, euch zu töten? Sentinel?«
»Ja. Besondere Sentinel, sie hatten keine Farbabzeichen am Kragen.«
Sandor, Andris und sogar Yann, der Wütende mit der Keule, beginnen zu lachen, wie auf ein Stichwort.
»Idiotisch«, wiehert Yann. » Besondere Sentinel!«
Ich begreife den Witz nicht. Dass sie lachen, nehme ich aber als gutes Zeichen, auch wenn es auf meine Kosten geht. Ein Blick zu Aureljo verrät mir, dass er ebenfalls keine Ahnung hat, was die Prims so amüsiert.
»Du bist diesen besonderen Sentineln noch nicht oft begegnet, oder?«, grölt Andris. Er wirft den Kopf zurück, sein Lachen erfüllt weiter den düsteren Raum und lässt Milan, der sich immer noch an seine tote Schwester schmiegt, den Kopf heben. Er wirkt weder irritiert noch beleidigt, eher so, als hätte ihn das Geräusch aus tiefen Gedanken gerissen. Vielleicht ist es in dieser Welt häufiger so, dass Tod und Gelächter sich einen Raum teilen.
»Ria aus der Sphäre«, sagt Andris. »Diese besonderen Sentinel, wie du sie nennst, sind die einzigen, die wir regelmäßig zu Gesicht bekommen. Weißt du, wer sie sind? Was sie sind?«
Ich schüttle den Kopf, obwohl ich es mir allmählich vorstellen kann.
»Exekutoren«, flüstert Andris. »Sie sind ausgebildet, um zu töten, um uns auszurotten. Sie ermorden uns im Schlaf, stehlen unsere Kinder, unsere Vorräte. Zerstören, was wir mühselig aufgebaut haben.«
Etwas in mir weigert sich, das zu glauben. Niemand rottet die Prims aus. Es ist eher umgekehrt: Sie bringen uns um, wann immer sie uns erwischen. Aber das ist im Moment zweitrangig.
»Aureljo hat einen von ihnen getötet«, sage ich und weise mit der Hand auf ihn.
Die Erinnerung quält Aureljo nach wie vor, keine Frage. Er blickt zu Boden und nickt mit kurzen, scharfen
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