Die verschollene Karawane
wuchs nun die Erkenntnis, dass sie viel, sehr viel für Peter empfand – aber keine Liebe. Deswegen tat es ihr auch nicht weh, dass Yvonne schwanger und Peter wieder mit ihr zusammen war. Irgendwie fühlte sie sich sogar erleichtert, befreit. Sie dachte in diesem Augenblick weniger darüber nach, was ihr die Zukunft bringen würde, als vielmehr darüber, dass sich ihr Verhältnis zu Peter mit dieser Nachricht auf wundersame Weise völlig entkrampft hatte. Sie fühlte sich wohl, fast glücklich dabei. Ihn in Zukunft als Freund zu haben, nicht mehr darüber nachzudenken zu müssen, was sich zwischen ihr und ihm entwickeln könnte, empfand sie als eine wunderbare Bereicherung ihres Lebens. Peter war ein Freund! Ein toller Freund, einer, den sie brauchte, immer schon gebraucht hatte und mit dem sie nun vielleicht auch über ihr Problem sprechen konnte, ohne Angst zu haben, dass er sie danach verlassen würde. Zu Peter hatte sie Vertrauen. Lösen konnte er ihre Probleme nicht. Aber er konnte ihr zuhören, sie in den Arm nehmen, den Schmerz lindern, sie trösten. Und mit ihm als Freund konnte sie ihren großen Wunschtraum realisieren: die tragische Geschichte der Prinzessin Sahel und den Versuch Roms, die Christen Äthiopien dem Untergang zu weihen, an die Weltöffentlichkeit zu bringen! Während ihr all das durch den Kopf schoss, blickte Peter sie wartend an. Sie sah ihm an, dass er Angst vor ihrer Reaktion hatte. Lächelnd beugte sie sich zu ihm und gab ihm zwei sanfte Küsse auf die Wangen. »Das waren Küsse von einer Freundin! Nicht die erotischen Küsse einer Geliebten, sondern freundschaftliche Küsse, Peter! Lass uns Freunde sein. Freunde, die wahrscheinlich Glück hatten, dass sie nicht miteinander geschlafen haben. Vielleicht wäre danach weder Freundschaft noch Liebe entstanden.
Vielleicht hätten wir erkannt, dass Wollust nicht gleich Liebe und Liebe nicht gleich Freundschaft ist. Ja, Lust hatte ich manchmal, Peter. Du auch, ich weiß!«
Jahzara griff mit der linken Hand nach seinem Ohrläppchen und zog so lange sanft daran, bis er begann, die Augen zu verdrehen. Ihr Gesicht war nur wenige Zentimeter von seinem entfernt, Sie ballte ihre rechte Hand zur Faust und hielt sie ihm vor das Gesicht. Ihr Stimme wurde sehr sanft, als sie fortfuhr: »Wenn du aber in Zukunft deine neue Freundin noch mal lüstern anschaust, kriegst du von einer sehr moralischen, erzkonservativen Äthiopierin eins auf die Nase. Und zwar mit dieser kleinen, aber sehr effizienten Faust!«
Peter brachte kein Wort heraus. Wie sie so vor ihm saß, ihre wunderschönen großen Augen rollend, wusste er plötzlich, dass dies einer der schönsten Momente seines Lebens war. Jahzara hielt noch immer sein Ohrläppchen fest. Er gab vor, als täte sie ihm weh.
Jahzara ließ ihn daraufhin los und starrte ihn wie hypnotisiert an. Durch den feuchten Glanz seiner Augen hindurch sah sie, wie unglaublich gern er sie hatte. Jahzara empfand ebenso. Sie kannte diesen Blick. Ihr Bruder hatte sie genauso angeschaut. Peter legte seine Arme um sie und drückte sie sehr fest an sich. Eng umschlungen standen sie einen Moment da, und Jahzara war auf einmal grenzenlos glücklich, einen so starken und klugen Bruder-Freund zu haben. Sie hatte das Gefühl, dass gerade etwas geschehen war, was ihr helfen würde, ihre Vergangenheit zu bewältigen.
Tief gerührt von seinen Umarmungen, drückte sie ihn vorsichtig von sich weg, schaute ihm tief in die Augen und sagte: »Aber komm jetzt bloß nicht auf die Idee, Yvonne nachkommen zu lassen! Das fehlte mir gerade noch, dass ihr, vor Glückseligkeit überwältigt, in der Sahara anfangt zu schmusen, während ich leer ausgehe.« Ihre Augen funkelten schelmisch: »Hast du eine Schwester?«
»Nein, warum?«
»Schwestern können grausam, zickig, biestig und unglaublich eifersüchtig sein, wenn ihre Brüder mit anderen Frauen rumknutschen. Also hüte dich vor mir! Ich werde mit Argusaugen darüber wachen, dass Yvonne dir nichts Böses antut. Da ich aber nicht glaube, dass eine Frau, die dich liebt und dein Kind in sich trägt, dir wehtun möchte, würde ich vorschlagen, dass du sie mir nach unserer Rückkehr vorstellst. Vielleicht können wir Freundinnen werden. Wobei du dich dann noch mehr vorsehen musst! Denn wenn ich mich mit ihr zusammentue, hast du schlechte Karte, Brüderlein, solltest du anderen Frauen nachstellen. Ich würde petzen! Dann hättest du die grausamsten Feinde gegen dich vereint, ja! Das hübsche Duo der Femmes
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