Die verschollene Karawane
dass meine Berichte sicherlich dazu beitragen werden, mehr Besucher nach Timbuktu zu locken.«
Jahzara bewunderte Peters Raffinesse und schmunzelte innerlich. Seine Afrikaerfahrung bewog ihn, den Gouverneur wie einen Pascha zu behandeln und ihn gleichzeitig mit persönlichen finanziellen Vorteilen zu ködern. Der Gouverneur spekulierte wahrscheinlich bereits damit, dass die im nächsten Jahr benötigten Führer und Fahrer aus seiner Familie stammen würden. Der Hinweis auf den Botschafter in Deutschland brachte den Gouverneur zudem in Zugzwang. Wie hatte man ihr im Hotel in Bamako gesagt? Ohne »Jetons« läuft in diesem Land nichts.
Der Gouverneur stand auf und schritt majestätisch durch den riesigen Raum. Peters Reaktion irritierte ihn offensichtlich: »Wie soll ich sagen, Monsieur, Ihr Anliegen ehrt uns. Aber selbst wenn ich Ihnen diese Genehmigung erteilen würde, müsste ich doch darauf beharren, Ihnen zwei erfahrene Führer in einem zweiten Wagen mitzugeben. Niemand fährt allein in die Wüste. Wenn Sie technische Probleme mit Ihrem Wagen hätten, wäre Sie ohne ein zweites Auto verloren. Doch ein solches Fahrzeug mit zwei Wüstenexperten ist nur schwer aufzutreiben. Ich müsste Ihnen quasi ein Fahrzeug des Departments mit zwei staatlichen Angestellten zur Verfügung stellen, um Ihre Sicherheit zu gewährleisten. Sie werden verstehen, dass das für Sie mit ganz erheblichen Kosten für Personal, Treibstoff, Lebensmittel und Gefahrenzulagen für die beiden Männer verbunden wäre.«
Peter fluchte innerlich. Mit allem hatte er gerechnet. Dass er Schmiergeld zahlen müsste, um eine Genehmigung zu bekommen, war ihm klar gewesen. Dass dieser listige Bursche das Gefahrenzulage nannte, kam nicht unerwartet. Der Kerl wollte sie schlicht und einfach schröpfen. Das Letzte, was Jahzara und er aber gebrauchen konnte, waren zwei Aufpasser. Er überlegte angestrengt, ahnte jedoch, dass kein Weg an diesen beiden staatlichen Angestellten vorbeiführen würde. Ihre einzige Chance bestand darin, dieses Angebot zunächst anzunehmen und dann später durch weiteres Schmieren die beiden dazu zu bringen, sie allein weiterfahren zu lassen.
Eine Stunde dauerten die Verhandlungen über die Kosten für die Führer und das Fahrzeug. Obwohl er die ersten Preisvorstellungen des Gouverneurs, immerhin umgerechnet aberwitzige 3000 Euro, auf unter 2000 heruntergefeilscht hatte, war das für die geplanten vier bis sechs Tage viel zu viel. Aber sie hatten keine Wahl. Würde er das Angebot ausschlagen, würden sie keine Genehmigungen bekommen. Zähneknirschend willigten sie schließlich ein und erhielten vom Gouverneur ein monströses Dokument: »Übergeben Sie diesen Permiss dem Chef des Conseil du Cercle, also dem Bezirksrat von Likrakar. Er wird Ihnen weiterhelfen. Bei ihm müssen Sie sich anmelden und auch wieder abmelden, wenn Sie in die Sahara fahren und sie verlassen.«
Wenige Minuten später traten Peter und Jahzara aus dem Gouverneurspalast. Die Nacht war hereingebrochen, die Luft von mehlartigem, rotem Staub erfüllt. Sie konnten kaum 20 Meter weit sehen.
Nach ein paar Schritten blieb Jahzara abrupt stehen und hielt ihn am Ärmel fest. »Da vorne! Peter, schau mal, an der Hausecke!«
Peter versuchte, durch die von Sandpartikeln erfüllte Nachtluft hindurch etwas zu erkennen. Aber er sah nur eine diffuse Straßenlaterne und graue Lehmhäuser. »Ich sehe nichts. Was meinst du?«
Jahzara stand noch immer bewegungslos neben ihm. Er konnte in ihren Augen sehen, dass sie sich nicht so recht traute, auszusprechen, was sie gesehen hatte.
»Ach, ich denke, ich bin einfach nur paranoid. Ich hatte gedacht, eben einen Mann in einem Priestergewand gesehen zu haben. Blödsinn, so ein Schwachsinn! Die Männer hier tragen ja alle solche Flattergewänder. Das war bestimmt ein Targi, ein Sohn der Wüste – und kein Mann Gottes.«
Beim Anblick der beiden Söhne der Wüste bekam Peter ein mulmiges Gefühl. Die Tuareg, die am übernächsten Morgen in einem schrottreifen Toyota Land Cruiser mit Regierungskennzeichen vor dem Campment vorfuhren und sich als ihre Führer vorstellen, waren in stahlblaue Gewänder gehüllt. Bis auf schmale Sehschlitze, die selbst ihre Augen kaum erkennen ließen, war ihr Kopf mit einem schwarzen Tuch verhüllt. Der Größere von ihnen, nach Statur und Bewegungen zu urteilen eher ein junger Bursche, nannte sich Habib Mounzer. Der andere, ein etwas untersetzter Mann, dessen Alter Peter überhaupt nicht einschätzen
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