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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ackermann
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erhob er sich und spuckte verächtlich neben Jahzara in den Sand. Er sah, dass der Racheengel es ernst meinte. Peter glaubte, Hass in ihren Augen erkennen zu können. Begannen sie, sich selbst zu zerfleischen?
    Jahzara wimmerte leise vor sich hin und krümmte sich auf dem Boden neben dem Feuer zusammen, um ihre Blöße zu verdecken. Ihr Körper bebte vor Scham und Schock. Dann schrie sie in ihrer Muttersprache etwas in die Nacht hinaus. Peter ahnte, was es war. Ihr Blick hatte etwas grauenhaft Dämonisches, Wahnsinniges. Dann verstummte sie. Von diesem Moment an, das war ihm klar, bewegte sich Jahzara auf einem gefährlich schmalen Grat zwischen Leben und Tod. So, wie sie dort im Sand lag, klein, zerbrechlich und erbärmlich schluchzend, war aus der stolzen, selbstbewussten Äthiopierin jeglicher Lebenswille gewichen. Die Angst hatte ihre Seele vereinnahmt.
     
    Die Sonne wollte einfach nicht aufgehen. Peter war der Erste, dem auffiel, dass etwas nicht stimmte. Jahzara lag wie ein kleines Kind zusammengerollt auf einer Luftmatratze vor dem Wagen. Seit gestern war sie weit weg von ihm, in einer anderen Welt. Sie hatte nichts gegessen, stattdessen apathisch ins Feuer gestarrt. So, wie sie sich am Abend zuvor hingelegt hatte, mit Angst einflößend leerem Blick lag sie am frühen Morgen noch immer da.
    Peters Augen richteten sich zum Himmel. Er war nicht zu sehen. Alles war milchig gelb-rot-weiß. Kein Laut war zu hören. Statt der Kälte des Morgens wehte ein heißer Fallwind von den nahen Dünen herab durch ihr Lager. Er wollte tief durchatmen, aber die Luft war zu heiß. Schweißperlen rannen ihm über das Gesicht. Seine Kleidung klebte am Körper. Entsetzt blickte er zum Lagerfeuer. Nein, sie waren nicht da! Jeden Morgen waren sie da gewesen, immer waren sie in der Wüste morgens da, die Ameisen und Bienen und andere Insekten, um die wenigen Tropfen Wasser, die beim Teemachen oder Kochen auf den Sand getropft waren, gierig in sich aufzusaugen. In der Wüste rettete und spendete Morgentau Leben. Doch da war kein Morgentau. Irritiert schaute er sich um. Die Sanddünen mussten auf der Windschattenseite morgens etwas feucht sein. Sie waren es nicht. Er wusste, was das bedeutete.
    »Weg, nichts wie weg!«, brüllte er.
    Der Killer sprang von seinem Nachtlager hoch. Die Pistole in seiner Hand wirkte irgendwie lächerlich. Peter hatte keine Angst vor dieser Pistole. Er hatte Angst vor dem, was da kommen würde.
    Auch Habib Mounzer wachte nun auf. Er hatte die Augen noch nicht ganz geöffnet, da erkannte er bereits, was geschehen würde. Angst ließ ihn hastig aufspringen. Sein Blick ging zum Himmel und zu den Dünen. Er schluckte: »Allah, verschone uns! Allmächtiger, zürne nicht mit mir. Hab Erbarmen. Sie ist doch nur eine schwarze Tochter Gogs und Magogs!«
    Peter starrte verächtlich auf den Targi. Entsetzen verwandelte dessen Gesicht zu einer Fratze.
    Der Targi verneigte sein Haupt demütig und stammelte: »Gog und Magog werden ihre Pfeile in den Himmel schießen und sie werden mit etwas wie Blut an ihnen zur Erde zurückfallen.«
    Peter wusste nicht, woher diese Worte stammten. Er hatte nur eine vage Ahnung davon, dass Gog und Magog im Islam für Tod und Verderben standen, ein Zeichen für den Tag des Jüngsten Gerichts waren. Er schrie Jahzara zu: »Wir müssen hier raus! Ein Sandsturm! Wir sitzen in diesem Tal in der Falle. Renn um dein Leben!«
    Eine Viertelstunde später fuhren beide Geländewagen mit höllischem Tempo aus dem Dünental heraus, auf einen mächtigen Bergkamm zu. Hinter ihnen, dort, wo sie eben noch gelagert hatten, war die Welt rot. Die Luft sah wie Blut aus, der Sand wie die Hölle. Sie spürten den Wind nicht. Aber sie hörten ihn. Er war hinter ihnen. Und er war schneller als ihre Autos.
    Peter raste ostwärts durch die Wüste. Die breiten Pneus gruben sich durch schweren Sand. Der Wagen schlingerte. Ausrüstungsgegenstände, die sie in aller Hektik ins Fahrzeug geworfen hatten, flogen im Inneren umher. Peter konnte die Angst des Killers riechen. Sie drang ihm mit dem Schweiß aus allen Poren.
    Jahzara hatte sich ein Tuch über ihren Kopf gezogen und saß regungslos auf dem Beifahrersitz. Sie wollte nicht sehen, was draußen geschah. Wie ein kleines Kind, das sich die Hände vor die Augen hält, wenn es Angst hat, wähnte sie sich in ihrer dunklen Welt unter dem Tuch in Sicherheit, weil in dieser Welt keine Angst existierte. Allerdings auch keine Hoffnung.
     
    Gog und Magog zeigten sich

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