Die verschollene Karawane
gnädig. Nur für eine Stunde legten sie ein rotes Leichentuch aus Sand, Hitze und Sturm über die Sahara und hetzten dann weiter südwärts. Binnen weniger Minuten zeigte sich die Wüste von ihrer schönsten Seite, mit einer gnädigen Sonne, sanftem Wind und mit allen prächtigen Farbfacetten, die der Schöpfer kreiert hatte. Die beiden Geländewagen standen, hinten geschützt durch einen Felskegel, nahe einer riesigen Düne, die im sanften Licht des frühen Tages so unglaublich schön aussah, dass Peter für eine Augenblick vergaß, wie sie soeben um Haaresbreite dem Tod entronnen waren. Mehr als zwei, drei Kilometer hatten sie auf ihrer Flucht vor den Sandmassen nicht geschafft. Ein Felskegel am Ende des Tals war ihre Rettung gewesen. In seinem Windschatten hatten sie hintereinander geparkt und dessen geharrt, was in der Wüste oft das Verderben brachte. Aber sie hatten Glück gehabt. Dem Jüngsten Gericht waren Atem und Sand ausgegangen bei dem Versuch, sie lebend zu begraben.
Mit den ersten Sonnenstrahlen wollte Peter die Fahrertür öffnen. Es gelang ihm nicht. Der Sturm hatte um den Wagen herum Sand aufgetürmt.
Jahzara zog die Decke von ihrem Kopf. Sie blickte sich um, schaute durch ihn hindurch und schwieg.
Der Killer atmete tief durch: »Puh, das war knapp. Verfluchte Wüste! Wie lange dauert es noch, bis wir ankommen? Ich habe die Schnauze voll. Mir reicht es!«
Peter fiel es schwer, entspannt zu wirken. »Ich habe keine Ahnung, wo wir jetzt sind. Wir werden von der geplanten Route abgekommen sein. Ich brauche das GPS.«
Der Araber reichte ihm das Gerät. Peter wunderte sich, dass es nicht ohnehin schon piepste und die Abweichung vom eingegebenen Kurs signalisierte. Auf dem Display war nichts zu sehen. Er probierte dieses und jenes aus. Doch das Gerät reagierte nicht. Er fluchte. Das war eine der Schwächen des GPS-Systems, die die Europäer veranlasst hatte, ein eigenes satellitenunterstütztes Navigationssystem aufzubauen. GPS war originär von den Amerikanern für militärische Zwecke entworfen worden. Erst später wurde es für kommerziellen Nutzen freigegeben. Aber noch immer nahmen sich die Amerikaner das Recht, das System abzuschalten, wenn sie irgendwo auf der Welt militärische Operationen planten. Das schien heute der Fall zu sein. Peter konnte sich plötzlich des Gefühls nicht mehr erwehren, dass diese Fahrt in die Sahara, die Suche nach der verschollenen Karawane, von ungewöhnlich vielen dramatischen Geschehnissen überschattet war. Sie waren erst knapp drei Tage unterwegs. Ihm schwante jedoch, dass sie kurz davor waren, sich auf ein kaum mehr kalkulierbares Risiko einzulassen. Über allen Bedenken standen seine Ängste um Yvonne und um Jahzara. Aber was sollte er machen? Diese beiden Männer, die selbst schwache Nerven hatten, würden seine Argumente nie gelten lassen. Ihm war nicht klar, was diese beiden von der Karawane wussten. Sie sprachen nicht darüber. Für sie lag wahrscheinlich irgendwo da draußen in den Dünen ein unermesslicher Schatz. Sie waren gierig. Gier erzeugte Unvorsichtigkeit. Das war das Letzte, was die Wüste verzieh. Nein, diese beiden würden sich nicht davon abbringen lassen, weiterzufahren. Seine Intuition sagte ihm, dass sich die Natur gegen sie zu verschwören begann. Die beiden wollten es nicht wahrhaben. Er wusste, dass Jahzara in einem sehr bedenklichen gesundheitlichen Zustand war. Den Killer und diesen Abschaum von Targi interessierte das mit Sicherheit nicht. Also musste er weiterfahren, musste auf Chancen lauern, den Männern zu entkommen. Die Zeit begann ganz langsam gegen ihn zu arbeiten. Zwei Tage, vielleicht drei, dann wären sie im Land der Leere. Was dort auf sie zukommen würde, war offen. Vielleicht würden sie nichts finden! Nicht mal einen Anhaltspunkt. Vielleicht gab es gar keine Karawane mit einer Prinzessin Sahel und einem Schatz. Wer wusste das schon? Es war müßig, darüber nachzudenken. Der Killer besaß eine Pistole. Er gab die Regeln vor. Und er hatte das GPS-Gerät unter Kontrolle. Also mussten sie weitersuchen. Die große Frage war: Würde Jahzara das überstehen? Fest stand, dass diese beiden Araber wohl kaum ohne seine Hilfe wieder aus der Wüste herausfinden würden. Also wären da nochmals einige Tage Zeit, nach Auswegen oder Fluchtmöglichkeiten zu suchen. Nur dafür brauchte er dieses verfluchte GPS-Gerät.
Betont ernst erklärte er dem Killer: »Manchmal ist das Gerät für ein paar Stunden nicht aktiv. Kann auch sein,
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