Die verschollene Karawane
Hervorragend! Der neunzehnte war gar kein Mönch!«, platzte Commissario Toscanelli heraus.
»Richtig! Es waren dreizehn Mönche, die zur Insel fuhren – und ein Mörder in der Kutte von Bruder Elias, der zu diesem Zeitpunkt bereits tot im Wasser trieb!«
»Und Sie wissen natürlich schon, wer der Mörder war? Kommen Sie, Pietro, spannen Sie mich nicht auf die Folter!«
»Noch nicht ganz, Commissario. Nicht ganz! Aber fast! Wir haben den Wassertaxifahrer von Burano ausgemacht. Es ist ein ziemlich versoffener Typ. Aber er ist der Einzige in Burano, der ein Taxiboot besitzt. Wir haben ihn in der Bar Primavera, am Park direkt gegenüber der Anlegestelle der Linie 1, ausfindig gemacht, ziemlich betrunken. Es war zwar recht konfus, was der Kerl gelallt hat. Wenigstens hat er sich noch daran erinnern können, dass er sich gewundert habe, wieso Bruder Elias nicht gekommen und stattdessen plötzlich ein ihm unbekannter Mönch aufgetaucht sei. Der kannte Bruder Elias nämlich seit Jahren! Da aber den ganzen Tag über so viele ihm fremde Mönche in Burano angekommen und mit ihm zum Kloster gefahren seien, habe er nicht weiter darüber nachgedacht. Erst als er am Abend wieder in der Bar bei Signora Donatelli saß und mit ihr über die vielen Mönche an diesem Tag sprach, begann er, sich Gedanken zu machen, dass da etwas nicht stimmte. Denn der angeblich taubstumme Mönch hatte einen auffallend braunen Teint und sah fast wie ein Araber aus. Und der Mann hatte ein Pflaster auf der Stirn.«
Commissario Toscanelli verharrte regungslos vor dem Fenster und starrte auf den kleinen Kanal vor dem Polizeipräsidium. Ohne sich umzudrehen, sprach er zu seinem Assistenten: »Pietro, Sie sind ein Ass! Und weil Sie so perfekt und wir hier in Venedig sind, wo bekanntlich auch Mörder mit dem Boot anreisen müssen, werden Sie mir jetzt sicherlich gleich auch noch sagen wollen, mit welchem Vaporetto der vermeintliche Täter nach Burano kam – und von dort wieder wegfuhr, richtig?«
»Richtig! Ich sehe schon, Chef, Sie beginnen bereits, die Vorteile Venedigs schätzen zu lernen. Also, der vermeintliche Mörder von Bruder Elias und wahrscheinlich auch der Täter, der für den Tod von Charles Bahri verantwortlich ist, stammt aus dem Ausland. Er ist um die vierzig und auffallend braungebrannt. Ein Südländer, vielleicht auch ein Mann arabischen Ursprungs. Er trug zur Tatzeit Jeans und ein blaues, kurzärmliges Hemd. Das zumindest ist die Personenbeschreibung von Signora Donatelli, der Barbesitzerin. Sie beobachtete gestern einen Mann mit dieser Beschreibung, wie er gegen vier Uhr nachmittags mit der Linie T am Landungssteg von Burano ankam. Um diese Uhrzeit ist nicht viel los in der kleinen Bar, die nur wenige Meter vom Landungssteg entfernt liegt. Die meisten Touristen fahren zu der Zeit schon wieder zurück nach Venedig. Die Signora plauderte draußen vor der Bar an ihrem Eisstand mit ihren Enkeln und beobachtete dabei, wie das Boot mit dem Fremden anlegte. Der Mann – sie sagt, er habe Englisch gesprochen und ein Pflaster auf der Stirn gehabt – stieg aus dem aus Venedig kommenden Schiff aus und erkundigte sich bei ihr, wie man nach San Francesco del Deserto gelange. Sie schickte ihn daraufhin zu Pater Elias, der auf einer Bank am Wasser saß und auf das nächste Schiff mit Franziskanermönchen aus Venedig wartete. Und, jetzt kommt der Hammer, Commissario: Derselbe Mann fuhr nach Aussagen der Fahrscheinkontrolleurin Francesca Sacchetti um 19.43 Uhr mit ihr auf der Linie 1 nach Venedig zurück, wobei er sich noch bei ihr erkundigte, wie er am besten zur Piazza Roma komme.«
»Wie viele Hotels gibt es dort in der Nähe?« Die Frage des Commissario hallte wie ein Peitschenschlag durch das Zimmer.
»Sieben Hotels in unmittelbarer Nähe, vierzehn im näheren Umkreis«, triumphierte der Assistent und fügte stolz hinzu, »die Kollegen sind schon ausgeschwärmt. Die Fahndung nach einem braungebrannten, etwa vierzigjährigen, arabisch aussehenden Mann in Jeans und einem blauen Hemd läuft bereits.«
Commissario Toscanelli kombinierte blitzschnell: »Entweder hat der Verdächtige dort in der Nähe der Piazza Roma in einem Hotel geschlafen, was bedeuteten würde, dass er jetzt vielleicht noch da ist. Oder er ist am Bahnhof an der Piazza Roma in einen Zug gestiegen oder in einen Bus oder mit einem Taxi zum Flughafen gefahren. Dann ist er weg.« Hektisch fingerte er nach seiner Dienstwaffe in der Schreibtischschublade und wollte gerade die
Weitere Kostenlose Bücher