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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ackermann
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imperialistische Gedankengut abendländischer Mächte. Wie einen Kuchen hatten sie die Erde und die Völker der Welt unter sich aufgeteilt. Legitimiert von der katholischen Kirche als »Missionierung heidnischer Völker«, hatten erst Spanien und Portugal, später dann auch andere europäische Staaten die Meere durchkreuzt, um dem Rest der Welt mit Feuer und Schwert ihre Vorstellung von christlicher Nächstenliebe zu lehren. Aber in Äthiopien – ihrer Heimat –, so stand es in diesem alten Buch, hatten die Portugiesen offensichtlich auch noch nach etwas anderem gesucht. Es hatte mit Eleni zu tun gehabt. Jeder in Äthiopien kannte Eleni. Was aber wollten die Portugiesen damals von ihr?
    Jahzara stand nur einen Meter von der riesigen Wandkarte entfernt. Ihre Augen fixierten die Regionen am Horn von Afrika. Da war es! Dort, wo sich das Gebiet des heutigen Äthiopien erstreckte, stand unter einem Kreuz »Terras do Preste João« geschrieben. Der Anblick dieses Namens überwältigte sie. Die Portugiesen hatten es gewusst oder wenigstens vermutet, dass das Christenreich des legendären Priesterkönig Johannes im heutigen Äthiopien liegen könnte. Und sie hatten offensichtlich konkrete Vorstellungen darüber gehabt, wie man dort hingelangte. Alle Land- sowie Seewege von Europa nach Ägypten und in das Reich von Aksum waren damals von muslimischen Heerscharen versperrt gewesen. In dem Buch von Charles stand geschrieben, dass die Portugiesen nur eine Chance sahen, diesen sagenumwobenen Preste João zu erreichen: von der afrikanischen Westküste aus über die großen Flüsse Afrikas ostwärts. Dabei stützten sie sich auf uralte arabische und ägyptische Landkarten, die eine direkte Verbindung aller großen afrikanischen Flüsse untereinander und zu den großen innerafrikanischen Seen aufzeigten. Wenn diese so genannte Niger-Nil-These zutraf, dann musste es möglich sein, über die großen westafrikanischen Flüsse Senegal, Gambia, Niger oder über den Zaire ostwärts quer durch Afrika zum Nil und von dort weiter ins Reich des Preste João nach Nordostafrika zu gelangen. Per Schiff! So zumindest stand es in dem Buch.
    Jahzara erschauerte, denn dann war die weltbekannte These, dass die Portugiesen den Seeweg nach Indien gesucht hatten, nichts anderes als ein Täuschungsmanöver gewesen. Der anonyme Autor behauptet sogar, dass der portugiesische König seine Geheimpolizisten und die im Ausland residierenden Diplomaten angewiesen hatte, gezielt Desinformationen von einer angeblichen Suche nach dem Seeweg nach Indien zu verbreiten. Es war ein perfekt eingefädeltes Komplott. Man wollte lediglich sicherstellen, dass weder die Spanier noch andere europäische Staaten – und schon gar nicht die Araber – Wind davon bekamen, was Portugal in Wirklichkeit plante: eine heilige Allianz mit dem Christenreich des Preste João! Kein Wunder, dass es allen Teilnehmern dieser Expeditionen bei Androhung der Todesstrafe verboten gewesen war, über diese Reise und ihr wirkliches Ziel zu sprechen.
    Plötzlich wurde sich Jahzara der Brisanz dieser Thesen bewusst. Was in diesem Buch geschrieben stand und was sich auf dieser Karte hier zu bestätigen schien, war ein Politthriller. Portugal hatte den Rest der Welt gezielt an der Nase herumgeführt. Geradezu zynisch mutete es Jahzara an, dass die katholische Kirche zu dieser Zeit offiziell noch immer die Lehre verkündete, dass die Welt eine Scheibe sei, und die heilige Inquisition alle jene in Kerker verbannte oder gar auf dem Scheiterhaufen verbrannte, die das Gegenteil behaupteten, während sich an Bord der portugiesischen Karavellen auch Repräsentanten Roms befanden. Darunter Francisco Álvares, ein Franziskaner, der persönliche Berater und Kaplan des portugiesischen Königs. Was immer die kühnen Seefahrer draußen in der neuen Welt taten, der Papst war darüber bestens informiert.
    Jahzara war schockiert, und wie hatte der Verfasser des Buches geschrieben? »Der Heilige Vater in Rom wollte unbedingt wissen, wer dieser Priesterkönig war, der diesen arroganten Brief an den Kaiser von Byzanz geschrieben hatte. Der Papst musste wissen, ob tatsächlich ein solch mächtiges und unvorstellbar reiches Christenreich in Afrika existierte. Denn so wie Rom seit jeher danach strebte, sich die Ostkirchen einzuverleiben, so war es die Intention des Papstes bei dieser Expedition, sich den Priesterkönig Johannes entweder untenan zu machen – oder den Abtrünnigen als Häretiker, als Ketzer, in die

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