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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ackermann
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war. Und wer oder was war ELENI? Ein Gedankenblitz durchzuckte ihn. Vielleicht war diese Karawane in Äthiopien aufgebrochen, um sich an der afrikanischen Westküste mit portugiesischen Seefahrern zu treffen. Wenn ja, dann stellte sich die Frage, was diese Karawane mit sich geführt hatte: Gold, Edelsteine, wertvolle Geschenke für den portugiesischen König? Womöglich war das die legendäre Karawane gewesen, von der alle Wüstenvölker Nordafrikas auch heute noch sprachen. Aber warum sollten die Äthiopier solche Schätze quer durch die Sahara transportiert haben, um sie dann den Portugiesen zu übergeben? Wie auch immer, denn die Karawane war nie angekommen, war in den Sanddünen der Sahara, im Land der Leere, im Meer der Finsternis verschollen.
    Sein Verstand arbeitete auf Hochtouren. Seine Gefühle überschlugen sich: Yvonne – IDA – die Afrikanerin – ELENI!
    Völlig verwirrt drehte er sich um. Die schöne Afrikanerin ging zu einer anderen Vitrine. Dann schaute sie ihn abermals an. Ein scheues Locken, eine Herausforderung lag in ihrem Blick. Sie erinnerte ihn an eine Thomsongazelle: schlank, elegant, voller Anmut, in vollendeter Ästhetik proportioniert, voller Kraft und doch sanftmütig. Ihr Busen hob sich unter der Bluse deutlich ab. Die Konturen ihres Gesichtes, ihres Halses und ihres Dekolletees wirkten verführerisch sanft. Sie war beunruhigend makellos! Wie in Trance schritt er auf sie zu. Er sah wenig Überraschung und viel Freude in ihren Augen.
    »Sehen wir uns heute Abend?« Er hatte es auf Englisch gesagt, ohne darüber nachzudenken, wieso.
    Ihre Antwort kam schnell: »Ja, natürlich! Um acht, bei Luanda Gouveia.«
     
    Am Ringfinger der linken Hand trug Lucinda zwei Ringe: einen protzigen aus Rotgold, mit aufgesetzten falschen Perlen. Der andere war noch größer und im billigen Kaugummiautomaten-Jugendstil gehalten. Beide ramschigen Schmuckstücke passten perfekt zu den monströsen Ohrringen, die ihr, halb verborgen unter ihrem rötlichen Haar, von den Ohren bis auf die Schultern hingen. Alles an Lucinda war rund, voluminös und ständig in Bewegung. Sie war kaum mehr als ein Meter 65, wog aber gut und gerne 90 Kilo. Eher mehr. So genau konnte Peter das nicht einschätzen. Die Fado-Sängerin hüllte sich in extrem weite Kleider. So füllig wie sie war, so wundersam leichtfüßig schwebte sie in den wallenden Röcken durch das Restaurant. Ihr gigantischer Busen wogte dabei unter einem kitschig bunten Seidenschal. Wenn sich Lucinda an einem hohen C versuchte, was ihr nicht sonderlich gut gelang, bebte ihr Körper wie der eines Elefanten, der seine Lebensfreude in die Welt trompetet. Lebensfreude schien sie mehr zu haben, als ihre wehmütigen Lieder es erahnen ließen. Weder ihre melancholischen Augen, akzentuiert durch fast schwarzen Lidschatten, noch ihre blau-lila geschminkten Lippen, denen der schwarze Konturenstift etwas von einem Vampir angedeihen ließ, konnten darüber hinwegtäuschen, dass diese Frau vor Lebenskraft strotzte. Inbrünstig und mit lachenden Augen intonierte sie, was sie von Leid und Liebe wusste.
    Lucinda Gouveia zu finden, war nicht sonderlich schwer gewesen. Jedermann in Lissabon schien sie zu kennen. Dass sie heute Abend bei Maria da Fonte im einstigen Judenviertel singen würde, hatte Peter vom Rezeptionisten seines Hotels erfahren. Bei ihm hatte er für Yvonne ein zusätzliches Zimmer gebucht, damit sie nicht in die peinliche Situation käme, neben ihm liegen zu müssen. Dann hatte er Yvi angerufen. Es war ein kurzes, trauriges Telefongespräch gewesen. Wann sie sich wiedersehen würden, hatte keiner von ihnen angesprochen. Das Telefonat endete mit lieben Floskeln, die kaum mehr als Ausdruck ihrer Sprach- und Hilflosigkeit waren.
    Das winzige Restaurant Maria da Fonte lag in der Largo do Chafariz de Dentro, im Stadtteil Alfama. Mehr als 20 Gäste passten nicht in die zwei Kämmerlein hinein. Stühle und Tische waren spartanisch. Kunterbunter Ramsch hing an den Wänden, lag auf Tischen und Büfetts. Aber es war unglaublich gemütlich, und es roch nach scharfer Fischsuppe, Weiß- und Portwein. Der Hausherr des winzigen Etablissements, ein kleinwüchsiger Sechzigjähriger mit schneeweißen Haaren, roter Krawatte, schwarzem Pullunder und glänzenden Augen, hatte ihn wie ein Freund begrüßt. Sein Handschlag war kräftig und sein Lächeln ehrlich gewesen. Er schien gespürt zu haben, dass Peter zu der Afrikanerin an dem kleinen Tisch in der Nische rechts hinter der Theke

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