Die verschollene Karawane
die Kollegen geschickt haben.«
Commissario Toscanelli nahm das Fax in die Hand. Ungläubig schaute er seinen Kollegen an. »Das ist doch nicht möglich! Das ist doch die Frau, die dieser Föllmer auf dem Vaporetto hier in Venedig fotografierte und dabei angeblich zufällig unseren Hauptverdächtigen ablichtete! Wahnsinn! Er hat doch gesagt, dass er sie nicht kennt, oder? Und jetzt fliegt er mit dieser schwarzen Schönheit nach Äthiopien – und damit genau dorthin, wo der Mordverdächtige auch hingeflogen ist? Pietro, entweder die drei kennen sich, haben uns also belogen. Oder diese Äthiopierin schwebt in größter Lebensgefahr. Und Föllmer auch.«
»Das sehe ich ebenfalls so, Chef. Wer weiß, ob unser Tatverdächtiger überhaupt von Addis Abeba nach Kairo geflogen ist? Vielleicht ist der in der äthiopischen Hauptstadt geblieben, weil er wusste, dass dieser Föllmer oder diese Äthiopierin auch dorthin fliegen werden. Der Mörder ist ihr Schatten. Wo sie sind, ist er auch – und zwar schon vorher! Stellt sich doch die Frage, woher der immer weiß, wo die beiden sind und was sie planen. Der will was von denen. Aber was, zum Teufel – «
Pietro brach abrupt ab, sein Blick haftete auf der zweiten Seite der Nachricht. Über den Zeilen stand »STRENG GEHEIM«. »Na, sauber, das fehlt uns gerade noch«, murmelte er vor sich hin. Toscanelli schaute ihn fragend an. »Commissario, jetzt wird es kompliziert. Die Abteilung Terrorismus des Deutschen Bundeskriminalamtes teilt nachrichtlich zu unserer Kenntnisnahme mit, dass der Name Ben Allouh, also der Name, unter dem unser Tatverdächtiger von Verona nach Köln geflogen ist, im Rahmen internationaler Ermittlungen gegen eine extremistische islamische Organisation aufgetaucht ist. Moment, ich lese mal vor. ›Der von Ihnen zur Fahndung ausgeschriebene Tatverdächtige namens Ben Allouh ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit identisch mit einem bei verschiedenen westlichen Staaten wegen Mitgliedschaft in einer extremistischen islamischen Vereinigung und wegen Mordverdachtes gesuchten Täter, der sich Sahib al Saif oder auch Dhul-Fiqar nennt. Der Name Sahib al Saif kann, in Anlehnung an islamische Mythologien als Statthalter des Schwertes übersetzt werden. Nachrichtendienstliche Erkenntnisse gehen davon aus, dass der Gesuchte ein so genannter Racheengel, also Auftragsmörder, einer Organisation mit dem Namen Al Sakina ist. Für weitere Informationen bitten wir aus Gründen der Geheimhaltung um persönliche Kontaktaufnahme mit dem Bundeskriminalamt.‹«
Commissario Toscanelli schritt hektisch durch sein Büro. »Ist ja irre! Pietro, ich denke, hier besteht Gefahr im Verzug. Da läuft was in Äthiopien. Wir sollten den Kollegen dort Bescheid sagen, was sich in ihrem Land zusammenbraut. Aber schreiben Sie ihnen auch, dass sie dieses Trio nur beobachten und nur einschreiten sollen, wenn es unbedingt erforderlich ist. Hinter dieser ganzen Sache stecken andere Leute. Da bin ich mir sicher. Um was es letztendlich geht, weiß ich nicht. Doch ich will die Hintermänner haben. Und den Mörder der beiden Mönche. Und zwar möglichst lebend. Ich hoffe nicht, dass es schon zu spät ist. Leider habe ich das unrühmliche Gefühl, dass dieser islamische Racheengel uns um einige Schritte voraus ist.«
Sahib al Saif fluchte. Sosehr er auch mit der Bürste rubbelte und sich Salbe auf die Stirn schmierte, das Kreuz wollte nicht ganz verschwinden. Was er sich vor einigen Wochen als Trick ausgedacht hatte, um sich besser unter den koptischen Christen in Ägypten bewegen zu können, entwickelte sich zu einem ernsthaften Problem. Dieser Bahri, das hatten ihm seine Auftraggeber gesagt, kannte in Ägypten viele Kopten. Auch sein Ferienhaus am Roten Meer stand in einer Siedlung, in der sich ausschließlich koptische Christen aus Ägypten ein Haus gekauft hatten. Viele von ihnen hatten ein tätowiertes Kreuz auf der Stirn. Insofern war es ein cleverer Schachzug gewesen, sich als Christ zu tarnen. Aber dieses kleine Kreuz, das er sich von seinem Freund mit Tätowierungstinte auf seine Stirn hatte aufmalen lassen, war tief in die Haut eingedrungen. Mit Wasser und Seife war die Tinte nicht wegzukriegen. In Venedig hatten ihn deswegen viele Leute verwundert angestarrt, weshalb er sich für die Fahrt zu dem Kloster ein Pflaster auf die Stirn geklebt hatte. Leider war er damit noch auffälliger geworden. Er, als gläubiger Moslem, empfand dieses Zeichen längst als Teufelsmal. Durch
Weitere Kostenlose Bücher