Die verschollene Karawane
diese Araber gehen mir gewaltig auf die Nerven. Und nicht nur die. Aus Rom ereilt uns über unseren werten Herrn Polizeipräsidenten quasi päpstlicher Tadel, weil wir angeblich nicht in der Lage seien, den heimtückischen Mord an zwei unschuldigen Glaubensbrüdern aufzuklären. Ja, wie denn auch, Pietro? Das Ganze stinkt doch zum Himmel! Da ist was faul.«
Der Commissario stapfte missmutig durch sein Büro. Pietro kannte diese Stimmung seines Chefs. Er setzte an, etwas zu sagen, aber sein Vorgesetzter ließ ihn nicht zu Wort kommen.
»Woher wusste, zum Beispiel, der Mörder von Charles Bahri, wo sich der Alte in dem Kloster aufhielt? Der ist doch nicht in der Kutte des toten Mönches ziellos durch San Francesco del Deserto geirrt und hat Bahri gesucht! Der wusste genau, wo er ihn finden würde! Außerdem haben es die Franziskaner bis heute abgelehnt, uns mitzuteilen, warum ihr einstiger Mitbruder Charles Bahri aus dem Orden ausgeschlossen wurde. Dieser Tage war ein Vertreter vom Ordo Fratrum Minorum, also vom Orden der Minderen Brüder, wie sich die Franziskaner selbst bezeichnen, da. Der war so nett und freundlich und so unglaublich heilig, dass ich mich beinahe entschieden hätte, ins Kloster einzutreten. Ehrlich, ich war kurz davor, mich vor ihm in den Staub auf den Boden zu werfen, so erhaben redete der daher. Zum Abschluss hat der dann gesagt, dass er, als unbedeutendes Sandkorn im Meer der Diener Gottes leider keinen Einfluss darauf habe, wenn der Heilige Vater dem verehrten Herrn Innenminister sein Missfallen über die Ermittlungen der venezianischen Polizei in den Ordensinterna der Franziskaner kundtun würde. Pietro, der hat Druck ausgeübt! Mit der Stimme eines Lammes – aber knüppelhart. Der will, dass wir die Ermittlungen über Charles Bahri einstellen. Die Vergangenheit, so sagte er, solle man ruhen lassen, den Blick in die Zukunft lenken. Wortwörtlich hat der das gesagt! Und jetzt auch noch das!«
Commissario Toscanelli ging zu seinem Schreibtisch und nahm eine Nachricht der Europolzentrale zur Hand. Der für Terrorismusbekämpfung zuständige italienische Europol Liaison Officer in Den Haag hatte gute Arbeit geleistet. Ein internationaler Datenabgleich hatte Erstaunliches ergeben.
»Chef, wir müssen uns wirklich keine Vorwürfe machen«, schaltete sich Pietro nun ein. »Wer kommt schon auf die Idee, dass der vermeintliche Täter nicht direkt, sondern über Umwege nach Ägypten flieht. Wer fährt schon gen Norden, wenn er eigentlich in den Süden will? Genau das hat der Mistkerl getan. Der hat uns an der Nase herumgeführt.«
»Das war ein Profi, Pietro. Glauben Sie es mir. Der hat das nicht zum ersten Mal gemacht. Erst fährt er, völlig unauffällig, mit dem Zug von Venedig nach Verona, bucht dort unter dem Namen Ghoumal bei Germanwings einen Flug, storniert den kurz vor Abflug und düst dann zwei Tage später unter dem Namen Ben Allouh von Verona zum Flughafen Köln/ Bonn, wo sich seine Spur erst mal verliert. Dann taucht er plötzlich auf der Passagierliste der Ethiopian Airlines von Frankfurt nach Addis Abeba mit Anschlussflug nach Kairo auf. In der äthiopischen Hauptstadt ist er offensichtlich auch angekommen, obwohl uns die Bestätigung der Fluggesellschaft für den Flug von Addis nach Kairo noch nicht vorliegt. Unser Mann ist also offensichtlich Ägypter. Der sitzt jetzt irgendwo im Schatten der Pyramiden und grinst vor sich hin. Wie und wo auch immer: Husch, weg ist er!«
Pietro war den Ausführungen seines Vorgesetzten nicht wirklich gefolgt. Sein Blick war auf eine Nachricht der Kollegen aus Deutschland gerichtet, die vor wenigen Minuten reingekommen war. Dem Fax war ein Foto beigefügt. Erstaunt riss er die Augen auf. »Das ist ja… nicht zu glauben! Unser Tedesco, dieser Deutsche, Peter Föllmer, hat einen Flug gebucht: von Frankfurt nach Addis Abeba. Und zwar nicht allein!«
Commissario Toscanelli schluckte erstaunt. »Nach Addis Abeba? Äthiopien? Mit seiner Freundin… dieser Yvonne Steimer?«
»Nein, Chef, unser mysteriöser Geograf plant keineswegs, mit seiner Freundin zu verreisen. Er hat sich offensichtlich neu orientiert. Glücklicherweise haben wir ihn zur weltweiten beobachtenden Fahndung ausgeschrieben. Peter Föllmer beabsichtigt mit einer sehr attraktiven jungen Frau gen Afrika zu düsen: mit Jahzara Jan-Zela, äthiopische Staatsangehörige, achtundzwanzig Jahre jung, geboren in Bahir Dar, Äthiopien. Hier, schauen Sie sich mal die Kopie des Passfotos an, das uns
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