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Die Verschollenen

Die Verschollenen

Titel: Die Verschollenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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gesehen. Sein Blick wanderte wieder zu dem Taschenmesser. Prüfend zog er am Griff, aber die Klinge blieb stecken. Er zog fester, konnte das Messer jedoch nicht befreien.
Doch er spürte etwas unter den Fingerspitzen. Eine Art Einbuchtung. Stuart beugte sich tiefer über die Leiche und beleuchtete das Messer mit dem Display des Telefons. In den Griff waren Initialen eingraviert - M. H.
    Seufzend ließ er sich auf die Fersen zurücksinken. M. H. - Mark Hickerson. Er hatte öfter gesehen, wie der Kameramann ein Taschenmesser benutzt hatte und war sich ziemlich sicher, dass es dieses gewesen war. Auf dieser Insel liefen ansonsten keine M.H.s herum, und er wusste mit Bestimmtheit, dass Robertas Luxusgegenstand kein Taschenmesser gewesen war. Sie hatte Lippenbalsam mitgebracht (was Stuart ziemlich clever gefunden hatte - viele Kandidaten hatten furchtbar rissige Lippen, weil die Haut ständig den Elementen ausgesetzt war). Aber wenn das wirklich Marks Messer war, wo zur Hölle steckte dann Mark? Und was noch wichtiger war: Wie war es dazu gekommen, dass sein Messer in Robertas Brust steckte? Hatte es einen Kampf gegeben? Eine Auseinandersetzung? Einen Unfall? Und wenn Roberta tot war, was war dann mit den anderen? Wo waren Jesse, Matthew und der Rest?
    Er schaute auf Robertas leblosen Körper. Regentropfen fielen auf ihre geöffneten Augen und füllten sie mit falschen Tränen. Zitternd streckte er die Hand aus und drückte ihre Lider zu, hielt sie unten, bis sie geschlossen blieben.
    »Es tut mir leid«, flüsterte Stuart. »Ich habe dich
nicht besonders gut gekannt. Wir lernen euch nie wirklich kennen. Das wollen wir auch gar nicht, weißt du? Dazu haben wir keine Zeit. Das ist Reality-TV, aber die Realität ist so, wie wir sie schaffen. Wir wollen immer nur eine Seite von euch kennen. Eine Eigenschaft, die wir ausschlachten und an die Zuschauer verkaufen können. Ihr seid, wie wir euch darstellen. Uns ist egal, ob ihr Familien habt oder gute Freunde oder wie vielseitig euer Charakter beschaffen sein mag - interessiert uns nicht, solange wir nichts daraus machen können. Also, es tut mir leid, dass ich mir nicht die Zeit genommen habe, dein wahres Ich kennenzulernen. Ich wette, du warst ein anständiger Mensch. Das hier hast du bestimmt nicht verdient.«
    Regentropfen liefen über seine Wangen. Stuart schüttelte Matsch und Blut von seinen Fingern und wischte sich die Hände an einer sauberen Stelle von Robertas nassem Shirt ab. Dann drückte er ein paar Tasten seines Telefons und hielt es sich ans Ohr.
    »Kommt schon«, seufzte er. »Nehmt ab. Nehmt ab. Nehmt ab.«
    Während er auf eine Antwort vom Schiff wartete, zerriss ein weiterer Blitz den Himmel, und das rettete ihm das Leben. Im grellen Licht sah er den Schatten, der hinter ihm auftauchte. Das Satellitentelefon rutschte ihm aus der Hand und landete im Schlamm. Ohne sich umzudrehen, schaffte Stuart es gerade noch, wegzurollen, als die Gestalt einen angespitzten
Bambusspeer in die Stelle rammte, an der er Sekunden zuvor gehockt hatte.
    Stuart sprang auf und war einen Moment verwirrt, als er den Angreifer erkannte.
    »Matthew?«
    Der Mann starrte ihn wild an, antwortete aber nicht. Er nickte nur und stieß wieder mit dem Speer nach Stuart, diesmal auf seinen Bauch. Stuart wich aus, ballte die Fäuste und nahm eine Boxerhaltung ein.
    Am Boden drang eine leise, von Rauschen unterbrochene Stimme aus dem Telefon: »Hallo? Hallo?«
    »Darf ich rangehen?«, fragte Stuart. Ohne auf eine Erlaubnis zu warten, bückte er sich nach dem Telefon. Matthew drohte ihm erneut mit dem Speer, so dass Stuart innehielt und die Hände hob.
    »Hallo«, rief die Stimme wieder, wurde aber fast vom Sturm verschluckt. »Ist da jemand? Hört ihr mich?«
    Matthew spuckte auf das Telefon und verzog verächtlich die Lippen.
    »Ich habe keine Ahnung, was hier los ist«, keuchte Stuart, »aber ich habe dich noch nie gemocht, du erbärmlicher Penner. Du bist mit Abstand der mieseste Kandidat, den wir in dieser Show je hatten. Also, du kannst jetzt dieses Ding weglegen und mit mir reden, oder wir kämpfen. Mir ist beides recht. Ich habe die Schnauze voll von diesem Sturm, dieser Insel und der ganzen verdammten Aufmerksamkeit,
die Dreckstücke wie du und deine Mitkandidaten ständig kriegen.«
    Matthew ließ den Speer nicht sinken, aber in seinen Augen blitzte Überraschung auf.
    »Wenn das so ist«, murmelte er kaum hörbar, »warum machst du dann mit? Warum machst du nicht was anderes?«
    »Was

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