Die Verschwörer von Kalare
»Lagerhäuser.«
Die drei liefen los, und obwohl Tavis Bein noch schmerzte, konnte es sein Körpergewicht problemlos tragen. Das erste Lagerhaus war offen und hell erleuchtet, und die Fuhrleute der Legion entluden hier die Wagen mit den Vorräten, die von den Subtribunen Logistica gebracht worden waren - ganz wie der, den die drei gerade auf der Straße zurückgelassen hatten. Haradae, der ranghöchste Subtribun Logistica, ein junger Mann mit Triefaugen aus Rhodos, sah von einem Hauptbuch auf und runzelte die Stirn. »Scipio? Wo ist dein Wagen?«
»Unterwegs«, antwortete Tavi und ging langsamer. »Hast du zufällig heute Abend hier unten Männer von Erasmus’ achtem Speer gesehen?«
»Die jagen einen Dieb. Es ist keine fünf Minuten her, da kamen sie vorbei«, sagte er und zeigte mit dem Daumen in die entsprechende Richtung. »Aber eigentlich dachte ich, sie hätten Dienst am Tor und nicht die Nachtwache.«
»Erasmus hat das auch gedacht«, sagte Tavi aus dem Stegreif. »Am Tor ist niemand.«
Haradae schüttelte den Kopf und sah auf seine Liste. »Hier. Verbandszeug. Ich lasse Erasmus davon schicken, wenn er sie hat auspeitschen lassen.«
Max knurrte leise: »Ob der auch Särge hat?«
»Komm weiter«, meinte Tavi und lief wieder los.
Die Leiche fanden sie im Schatten neben dem fünften Lagerhaus in der Reihe, und Tavis Herz schlug ihm bis zum Hals, als er die schwarze Gestalt in der Dunkelheit liegen sah. »Ist das …?«
»Nein«, sagte Kitai. »Ein Legionare . Er ist älter als Ehren und hat einen Bart.« Sie bückte sich und zupfte beiläufig an der Kleidung der Leiche. Licht glitzerte kurz auf Stahl. »Messer im Hals. Guter Wurf.«
»Pst«, machte Tavi und hob die Hand. Einen Moment lang schwiegen sie. Der Fluss rauschte träge an ihnen vorbei. Die hölzernen Stege ächzten. Tavi hörte zwei Männer, die sich leise stritten. Dann folgte ein dumpfer Schlag.
Tavi zog das Schwert, so leise er konnte, und nickte Max zu. Die beiden schlichen rasch den Steg entlang. Kurz darauf hatten sie eine Gruppe von sieben Legionares erreicht. Einer hielt eine trübe Elementarlampe, während zwei andere sich unterhielten und die übrigen im Halbkreis um einen verwitterten Lagerschuppen standen, der vielleicht drei Schritt breit und sechs Schritt tief war. Einer der Männer hatte die Hand mit einem Tuch plump verbunden und hielt den verwundeten Arm dicht am Körper.
Max kniff die Augen zusammen und duckte sich, doch Tavi hob die Hand und signalisierte ihm zu warten. Mit einem zweiten Wink forderte er Max auf, ihm zu folgen, und verwegen trat er in den düsteren Lampenschein.
»Bei den Krähen, was treibt ihr hier?«, verlangte er zu wissen.
Die Legionares fuhren zu ihm herum. Die beiden, die sich gestritten hatten, erstarrten. Ihre Gesichter verrieten Schuldgefühle. Tavi erkannte sie, erinnerte sich jedoch nicht an ihre Namen - nur an den des Verwundeten. Der hieß Nonus und war der Legionare , der Tavi an seinem ersten Tag im Lager schon Ärger gemacht hatte. Sein Gefährte Bortus stand unbehaglich neben ihm. Obwohl niemand je darüber gesprochen hatte, nahm Tavi an, dass Max Valiar Marcus davon überzeugt hatte, die beiden in Erasmus’ Zenturie zu versetzen - eine rangniedrigere Zenturie
innerhalb der Kohorte, was ohne Frage auch Einbußen im Sold zur Folge hatte.
»Und?«, hakte Tavi nach. »Wer ist der Anführer dieses armseligen Haufens?«
»Subtribun«, nuschelte einer der beiden Streithähne. Er trug seinen Helm zwar, hatte ihn jedoch nicht festgeschnallt, und die Wangenstücke hingen locker herab. Er sprach mit leichtem kalarischem Dialekt. »Ich, Subtribun Scipio.«
Tavi legte den Kopf schief und setzte eine düstere Miene auf, die sich beständig weiter verfinsterte. »Name, Soldat?«
Der Mann blickte sich unbehaglich um. »Yanar, Subtribun.«
»Yanar. Hättest du vielleicht die Freundlichkeit, mir zu erklären, warum einer deiner Männer tot in dieser Gasse liegt und ein anderer verwundet ist, anstatt auf euren krähenverfluchten Posten zu stehen?«
»Subtribun, Creso wurde ermordet !«
»Auf den Gedanken bin ich auch schon gekommen, schließlich ragt ein Messer aus seinem Hals«, sagte Tavi bissig. »Aber das ist wohl kaum von Belang. Warum wurde er dort drüben ermordet und nicht auf seinem Posten ?«
»Wir haben einen Verbrecher verfolgt, Subtribun!«, stotterte Yanar. »Er ist geflohen.«
»Ja, Gruppenführer. So weit reicht mein logisches Denken auch; ich kann mir durchaus
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