Die Verschwörer von Kalare
hinauf zur Windkutsche, landete auf dem Trittbrett, hakte ihren linken Arm im Fenster ein und streckte Bernard die rechte Hand entgegen.
Ihr Gemahl schaute zu ihr auf, betrachtete ihre nackten Beine unter dem knappen roten Sklavengewand, grinste sie begehrlich an und ergriff ihre Hand. Sie mussten beide lachen und wurden rot, während sie ihm auf das Trittbrett und dann in die Windkutsche half.
»Alles in Ordnung mit dir?«, rief er ihr zu.
»Nein!«, rief sie zurück. »Du hast mich zu Tode erschreckt!«
Er lachte schallend, und Amara verließ das Trittbrett und begab sich in Cirrus’ Arme. Nachdem sie ihr Gleichgewicht gefunden hatte, nahm sie eine leicht erhöhte Position vor der Windkutsche ein. Sie sah über die Schulter zurück und fluchte, weil sie ihr Haar der Verkleidung wegen nicht zum Zopf hatte flechten dürfen und auch nicht daran gedacht hatte, etwas mitzunehmen, mit dem sie es jetzt hätte zusammenbinden können. Nun peitschte es ihr wild ins Gesicht, und sie brauchte einen Augenblick, bis sie es hinter die Ohren gestrichen hatte und sah, was hinter ihnen los war.
Beinahe wünschte sie, sie hätte sich nicht umgedreht.
Die glitzernden Gestalten der feindlichen Ritter Aeris erhoben sich über Kalare. Rook hatte sie gewarnt, dass ungefähr zwanzig in der Stadt geblieben waren. Amara betrachtete ihre eigenen vier Söldner-Ritter, die sich mit der überladenen Windkutsche
abmühten. Sie waren nicht schnell genug, um möglichen Verfolgern zu entkommen, und die Landschaft unten bot wenig Gelegenheit, mit Kalarus’ Männern Versteck zu spielen. Da sie nicht in die hohen Winde aufsteigen konnten, fielen auch die Wolken als Deckung aus, was sonst eine beliebte Taktik war, um Verfolgern in der Luft auszuweichen, und die einzige, die ihnen jetzt vielleicht geholfen hätte.
Blieb also nur eines: Sie mussten kämpfen, dachte Amara.
Es war durchaus nicht unwahrscheinlich, dass sie zwanzig feindliche Ritter abwehren könnten, schließlich befanden sich neben Amara noch zwei Hohe Fürstinnen von Alera in ihrer Gruppe.
Doch jetzt erhoben sich weitere Ritter Aeris aus der Stadt. Noch zwanzig. Vierzig. Sechzig. Und immer mehr.
Mit sinkendem Mut begriff Amara, dass Kalarus durch die Luft zur Zitadelle zurückgekehrt sein musste - und er hatte seine Leibgarde mitgebracht, zu der seine besten und erfahrensten Ritter Aeris gehörten.
Gegen zwanzig Ritter hätten sie eine Chance gehabt. Aber gegen die fünffache Anzahl … und noch dazu ohne Frage auch gegen Kalarus persönlich …
Unmöglich.
Ihr schnürte sich die Kehle zusammen, und sie gab den Windkutschenträgern das Zeichen, dass sie verfolgt wurden.
49
Amara dachte hektisch nach auf der Suche nach einem Ausweg. Sie zwang sich, ihre Lage nüchtern und ohne Gefühle einzuschätzen. Kein Feind war unbesiegbar, keine Situation vollkommen aussichtslos. Es musste etwas geben, wodurch sie ihre Chancen zumindest verbessern konnten, und dazu musste sie die Stärke und die Fähigkeiten des Gegners zunächst einmal nüchtern beurteilen.
Und plötzlich entdeckte sie tatsächlich einen Silberstreifen am Horizont.
Gewiss waren Dutzende von Ritter Aeris zu ihnen unterwegs, doch nur zwanzig von ihnen hatten Dienst in der Zitadelle getan. Die anderen waren gerade erst mit ihrem Herrn nach Kalare zurückgekehrt und vermutlich seit dem ersten Tageslicht geflogen. Daher musste ihnen die Ausdauer für eine längere Verfolgung fehlen, vor allem, wenn sie gezwungen waren, sich durch die kräftezehrenden tiefen Winde zu schlagen.
Dann schoss ihr ein weiterer Gedanke durch den Sinn. Es hatte kein langsam näher kommendes Tosen gegeben, wie es eine große Gruppe Flieger erzeugte, wenn sie in niedriger Höhe ankam. Auf dem Dach des Turms hatte Amara jedoch die Ritter von Fürstin Aquitania gehört, als diese eintrafen. Da hätte ihr dieses riesige Geschwader von Windwirkern nicht entgehen dürfen, als diese in der Zitadelle ankamen. Was bedeutete …
Jetzt, da sie darüber nachdachte, war sie sich sicher: Kalarus hatte nicht die letzten zehn oder elf Tage damit verbracht, so wie Amaras Gruppe langsam dahinzufliegen. Schließlich war seine Anwesenheit bei seinen Legionen unbedingt erforderlich - und deshalb würde er nicht seine Zeit mit Reisen verschwenden. Er
mochte ein sadistischer, grausamer und unmenschlich ehrgeiziger Mann sein, dumm war er jedoch sicherlich nicht.
Also waren Kalarus und seine Ritter durch die oberen Luftschichten gekommen, nachdem sie einen halben Tag
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