Die Verschwörung
Mädchen eilten vorbei. Butler lächelte. Paris. Er hatte ganz vergessen, wie es hier war.
Carrères Wohnung lag an der Rue Bonaparte, gegenüber der Kirche. Wohnungen in Saint Germain kosteten im Monat mehr, als die meisten Pariser in einem ganzen Jahr verdienten. Butler betrat das Cafè Bonaparte, bestellte einen Kaffee und ein Croissant und setzte sich an einen Tisch auf dem Gehweg. Nach seinen Berechnungen hatte er von dort einen perfekten Blick auf den Balkon von Monsieur Carrère.
Er brauchte nicht lange zu warten. Es war noch keine Stunde vergangen, als der stämmige Franzose auf dem Balkon erschien, sich auf das Gitter stützte und eine Weile das Treiben unter sich betrachtete. Zuvorkommenderweise präsentierte er sich dabei sowohl von vorne als auch im Profil.
In Butlers Ohr ertönte Hollys Stimme. »Das ist unser Mann. Ist er allein?«
»Kann ich nicht sehen«, murmelte der Leibwächter hinter vorgehaltener Hand. Das hautfarbene Mikrofon, das an seinem Hals klebte, übertrug die Stimmvibrationen und übersetzte sie für Holly.
»Moment.«
Butler hörte das Klappern einer Tastatur, dann sprühte plötzlich die Iriskamera in seinem Auge Funken. Die Sicht auf dem Auge wechselte in ein völlig anderes Spektrum. »Wärmestrahlung«, erklärte Holly ihm. »Rot ist warm, blau ist kalt. Kein sehr weit reichendes System, die Linse müsste jedoch stark genug sein, um die Außenwand zu durchdringen.«
Butler ließ den Blick über die Wohnung wandern. In dem Raum gab es drei rote Objekte: Carrères Herz, das dunkelrot in seinem blassrosa Körper pochte, dann einen Wasserkessel oder eine Kaffeekanne, und das dritte entpuppte sich als ein Fernseher.
»Alles in Ordnung. Ich gehe jetzt rein.«
»Bestätige: Alles in Ordnung. Aber seien Sie vorsichtig. Das Ganze läuft mir ein bisschen zu glatt.«
»Verstanden.« Butler überquerte das Kopfsteinpflaster und ging auf das vierstöckige Wohnhaus zu. Die Tür war mit einem Codesystem gesichert, doch sie stammte noch aus dem neunzehnten Jahrhundert, und eine kräftige Schulter, an der richtigen Stelle gegen das Holz gedrückt, ließ den Riegel aus der Halterung springen.
»Ich bin drin.«
Im Treppenhaus über ihm waren Schritte zu hören. Jemand kam ihm entgegen. Für Butler kein Grund zur Sorge, dennoch legte er sicherheitshalber die Hand auf den Griff seiner Waffe, die er im Jackett verborgen hatte. Unwahrscheinlich, dass er sie brauchen würde. Selbst die aufmüpfigsten jungen Kerle machten stets einen großen Bogen um Butler, was wohl mit dem erbarmungslosen Ausdruck in seinen Augen zusammenhing. Die knapp zwei Meter Körpergröße taten ihr Übriges.
Eine Gruppe Teenager bog um die Ecke. » Excusez-moi «, sagte Butler und trat höflich zur Seite. Die Mädchen kicherten, die Jungen starrten ihn an. Einer von ihnen, ein kräftiger Typ mit buschigen Augenbrauen, überlegte offenbar, ob er einen Spruch ablassen sollte, als Butler ihm zuzwinkerte. Es war ein seltsames Zwinkern, zugleich freundlich und bedrohlich. Da verkniff sich der Junge seinen Spruch.
Butler gelangte ohne weitere Zwischenfälle hinauf in den vierten Stock. Luc Carrères Wohnung lag auf der Giebelseite. Zwei komplett verglaste Wände. Sehr teuer.
Der Leibwächter war gerade bei der Frage angelangt, wie er in die Wohnung gelangen sollte - mit Gewalt oder einfach klingeln -, als er sah, dass die Tür offen stand. Eine offene Tür konnte für gewöhnlich zweierlei bedeuten: Entweder war niemand mehr am Leben, der sie hätte schließen können, oder man erwartete ihn. Keine der beiden Möglichkeiten erschien ihm besonders verlockend.
Vorsichtig betrat Butler die Wohnung. Entlang den Wänden standen reihenweise offene Kisten. Aus den Styroporchips lugten Batteriepackungen und Feuerwehranzüge hervor, der Fußboden war übersät mit dicken Geldscheinbündeln.
»Sind Sie ein Freund?« Die Frage kam von Carrère, der zusammengesunken in einem riesigen Sessel saß, eine undefinierbare Waffe auf dem Schoß.
Butler bewegte sich langsam auf ihn zu. Eine wichtige Kampfregel besagte, dass man jeden Gegner ernst nehmen sollte. »Ganz ruhig.«
Der Franzose hob die Waffe. Der Griff war für kleinere Hände gemacht. Für die eines Kindes oder eines Unterirdischen. »Ich habe gefragt, ob Sie ein Freund sind.«
Butler zog ebenfalls die Pistole. »Kein Grund zu schießen.«
»Bleiben Sie stehen«, befahl Luc Carrère. »Ich habe nicht vor zu schießen. Ich soll Sie nur fotografieren, wenn Sie der Richtige
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