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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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eine Beschäftigung für dich, die deinen Begabungen entspricht.«
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    Der Gedanke, dass mir Sonne, Wind und Regen bis auf Weiteres versagt sind, lässt die Wunder der Bibliothek plötzlich schal wirken. Ich halte die Enttäuschung tief in mir fest und demonstriere nach außen hin Verständnis. Forme nebenbei mit den Fingern das Zeichen für Wildschwein, das Sandor mir beigebracht hat, als wir gemeinsam auf der Jagd waren. Er dreht sich weg, bevor er es sehen kann.

3
    Wir verbringen den Abend schweigsam in unserem Gewölbe, Tycho ist der einzig Gesprächige, er war den ganzen Tag in den Schächten, Kellern und Kanälen unterwegs. Alles, was er dort gefunden hat, präsentiert er uns jetzt und es ist erstaunlich viel. »Laut Quirin sind die Gänge unterhalb der Stadt 3   600 Kilometer lang«, erzählt er und malt mit den Händen labyrinthartige Gebilde in die Luft. »An vielen Stellen war seit Hunderten von Jahren niemand mehr.«
    Mein Kopf liegt an Aureljos Schulter, wir haben eine Decke um uns geschlungen und ich atme seinen vertrauten Geruch ein. Dass wir nicht einer Meinung sind, darüber, wie es weitergehen soll, darf nichts an unseren Gefühlen ändern.
    Das hat er gestern zu mir gesagt, kurz vor dem Einschlafen, und ich habe ihm zugestimmt. Habe dann kurz versucht mir vorzustellen, wie es wäre, ohne ihn hier zu sein – ein Gedanke wie ein Abgrund.
    »Das sieht aus wie der Teil eines Schaufelblatts, findet ihr nicht?« Tycho hält ein rostiges Stück Metall hoch. »Wenn ich es schaffe, einen Stiel dran zu befestigen, können wir Dinge vergraben. Oder ausgraben.«
    Ich wünschte, ich könnte so viel Begeisterung aufbringen wie er. Tycho hat die Außenwelt ebenso genossen wie ich, findet sich aber problemlos damit ab, dass er dort im Moment nicht sein kann, und konzentriert seine geballte Energie eben auf etwas anderes. Im Vergleich zu ihm fühle ich mich starr und unflexibel, unfähig, das Beste aus der Situation zu machen.
    Im Vergleich zu Tomma hingegen bin ich ein Muster an Optimismus und strahlender Lebensfreude. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben, dass sie sich nicht vom Fleck gerührt hat, seit wir anderen am Morgen das Gewölbe verlassen haben. Sie hockt an der Wand, schweigend, ein bewegungsloser Schatten, ein stummer Vorwurf.
    Ich mache mich von Aureljo los und deute mit dem Kopf zu ihr.
    Er nickt, versteht mich ohne Worte. »Gute Idee. Danke, Ria.«
    Tomma hat die Augen geschlossen, ihre Wimpern heben sich dunkel von der blassen Haut ab. Ich kauere mich neben sie.
    »Ist dir nicht kalt, hier an der Wand? Komm doch zu uns, es gibt auch gleich etwas zu essen.«
    Zuerst reagiert sie überhaupt nicht. Will sie mich glauben machen, dass sie schläft? Ich lege ihr eine Hand auf die Schulter.
    »Tomma. Bitte. Du erreichst doch nichts, indem du dich von allem fernhältst. Ich verstehe, dass du wieder nach oben willst, mir geht es genauso, aber wir müssen noch ein wenig Geduld haben.« Ich greife nach ihrer Hand und bin erstaunt, wie heiß sie ist. Tommas Husten klingt seit Tagen unschön, hat sie jetzt auch Fieber?
    Es ist nicht das erste Mal, dass ich mir wünsche, Fleming wäre noch bei uns. Mit seiner Ruhe, seiner Klugheit und seinem ganzen medizinischen Wissen.
    Mich an ihn zu erinnern löst jedes Mal die gleiche Vielfalt heftiger Gefühle aus. Wut, weil er uns verraten hat. Trauer, weil er tot ist. Hilflosigkeit, weil ich trotz aller Mühen die Zusammenhänge nicht verstehe.
    Nichts davon hilft mir im Moment weiter. Ich sollte meine Aufmerksamkeit Tomma widmen.
    »Fühlst du dich schlechter?« Ich streiche ihr über die Stirn. Ebenfalls heiß. »Komm zum Feuer, bitte. Ich gebe dir meine Decke, du musst dich warm halten, sonst wird die Erkältung noch schlimmer.«
    Jetzt sieht Tomma mich an. Ich weiß nicht, ob es Fieber oder Abneigung ist, was ihre Augen glänzen lässt. »Lass mich in Ruhe.«
    Ich denke nicht daran. »Wir brauchen dich, das weißt du, nicht wahr? Es dauert vielleicht noch ein paar Wochen … oder Monate, aber dann können wir wieder nach oben und du kannst Beete anlegen. Felder. Du wirst Nahrung wachsen lassen, die in der Sonne reift und nicht unter Biolichtstrahlern.«
    Tomma blinzelt nicht einmal. Zieht sich nur die Decke enger um ihre Schultern. In den Innenwinkeln ihrer Augen sehe ich etwas Gelbliches, Kristallartiges. Verhärtetes Augensekret, wie bei einer Bindehautentzündung.
    Ich habe einmal gelesen, dass die Abwehrkräfte des Körpers

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