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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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lautet Das große Buch der Kartentricks und offenbar kann man damit lernen, wie man andere Menschen verblüfft, indem man mit eigenartigen kleinen Kärtchen hantiert, auf denen schwarze und rote Symbole abgebildet sind.
    Ohne besagte Kärtchen ist aber auch das Buch sinnlos. Trotzdem ziehe ich ein paar einzelne, zerknitterte Seiten aus dem Haufen vor mir. Wenn sie zufällig zu diesem Werk gehören, dann lege ich sie wenigstens hinein.
    Nur eine davon ist ein Treffer, die anderen sind größer oder kleiner oder behandeln ganz andere Themen. Und eins … ist mit der Hand beschrieben. Als hätte jemand sich auf einem Blatt Papier Notizen gemacht und sie in eins der Bücher hineingelegt, vielleicht, um sich die Stelle zu merken, an der er oder sie zuletzt gelesen hat.
    Handschriften haben mich schon immer fasziniert, wahrscheinlich, weil ich sie so selten zu Gesicht bekomme. In den Sphären war Papier zu kostbar, um es zu bekritzeln, und mit Neupapier war es kein Vergnügen. Man konnte kaum einen Stift darauf setzen, ohne es zu zerreißen. Als Kinder lernten wir das Schreiben mit der Hand, aber nur auf kleinen Tafeln, die sich anschließend wieder sauber waschen ließen.
    Ich lege das Blatt vor mir auf eine freie Stelle am Boden und streiche es glatt, vorsichtig, dann fällt mein Blick auf die rechte obere Ecke und ich vergesse zu atmen.
    33.64.NA
    Das ist eine Datumsbezeichnung, wie sie in den Sphären üblich ist. Dieses Papier wurde auf die dreiunddreißigste Woche des vierundsechzigsten Jahres nach dem Ausbruch datiert. Von jemandem, der mit der Zeitrechnung der Sphären vertraut war.
    Ich überschlage es schnell im Kopf – die Zeilen sind fast neunzig Jahre alt.
    Gestern wieder zwei Tote. Ein alter Mann und ein kleines Kind, beide zu geschwächt, um dem Fieber standhalten zu können. Ich schreibe alter Mann , weil er über fünfzig war; seinem Aussehen nach hätte ich ihn auf fast achtzig geschätzt. Haut, Knochen und weißes Haar. Kaum noch Zähne. Für jemanden, der außerhalb der Sphären lebt, hat er ein hohes Alter erreicht, die meisten sterben jünger, wenn auch nicht so früh wie das Mädchen, das kurz nach ihm gegangen ist. Sechs Jahre alt, weiß und leicht wie eine Schneeflocke.
    Ich tue, was ich kann, ich halte mein Wissen wie einen Schild über die Menschen und erreiche doch nur so wenig. Ich friere mich ja selbst fast zu Tode.
    Glenna ist immer um mich. Ohne sie wäre ich längst nicht mehr am Leben. Sie kocht Suppe aus Schmelzwasser und den kleinen, schwarzen Pilzen, die endlich zu wachsen beginnen. Abends flechte ich ihr Haar und erzähle ihr von den Menschen, die ich nicht retten konnte, und sie …
    Hier endet die Seite. Ich erfahre nicht, was Glenna noch tut, während der Schreiber ihr die Haare flicht. Aber ich begreife, dass ich auf etwas Außergewöhnliches gestoßen bin, noch bevor ich die zwei winzigen Zeichen am unteren Rand des Papiers entdecke.
    JC
    Mit einem Mal habe ich wieder die tonlose Stimme des farblosen Sentinel im Ohr, so deutlich, als stünde er neben mir:
    Sind Sie sich der Bedeutung von Jordans Chronik bewusst?
    JC. Natürlich könnte das auch Zufall sein, aber daran glaube ich keine Sekunde lang. Fleming wurde ausgeschickt, ein Buch mit rotem Umschlag zu suchen, auf dem das Wappen des Sphärenbundes aufgedruckt ist.
    Ich beginne, den Bücherhaufen vor mir abzutragen, schaufle einen Band nach dem anderen zur Seite, auf der Suche nach einem weiteren Blatt mit Handschrift oder nach dem beschriebenen roten Einband, aber ich bekomme nichts dergleichen zwischen die Finger.
    Ganz ruhig, sage ich mir. So unsystematisch, wie ich es angehe, werde ich höchstens etwas übersehen oder, noch schlimmer, zerstören. Diese eine Seite habe ich gefunden, indem ich ein paar lose Blätter aus dem Stapel gezogen habe. Vielleicht waren sie in eins der intakten Bücher hineingelegt?
    Der Gedanke raubt mir sofort den Mut. Ich kann unmöglich alle Werke, die hier vor mir liegen, durchblättern. Nicht einmal flüchtig. Aber wenn dieses eine Blatt hier lag, spricht alles dafür, dass auch der Rest in der Nähe sein muss. Irgendwo in dieser riesigen Bibliothek.
    Ich setze mich auf einen der Bücherstapel, das Papier in meinen Händen zittert leicht. … ich halte mein Wissen wie einen Schild über die Menschen und erreiche doch nur so wenig. Ich friere mich ja selbst fast zu Tode .
    Der Autor dieser Worte war kein Außenbewohner, so viel steht fest. Für mich klingt es, als wäre er in einer der

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