Die Verschworenen
zurück, ich kann förmlich dabei zusehen.
»Gehen wir jetzt von hier fort?«, wispert er.
»Ja. Es ist alles vorbereitet.« Ich ziehe ihm den Katheter aus der Vene und klebe ein Pflaster über den Einstich. »Kannst du aufstehen?«
Es stellt sich heraus, dass ihn die lange Bewusstlosigkeit stärker geschwächt hat als befürchtet. Als er versucht, sich im Bett aufzusetzen, wird sein Gesicht grau.
»Langsam. Du musst warten, bis dein Körper versteht, dass jetzt Schluss ist mit Herumliegen.«
Das bringt ihn zum Lachen und ich muss ihm eine Hand auf den Mund pressen, um den Laut zu dämpfen.
»Das hier ist kein Spaß. Wenn sie uns erwischen, töten sie uns beide. Hör zu. Sobald wir draußen sind, bist du der Anführer und ich mache, was du sagst. Hier drinnen ist es umgekehrt, hier kenne ich mich besser aus.«
Er nickt und ich lasse meine Hand sinken.
Die nächste halbe Stunde sind wir damit beschäftigt, ihn auf beide Beine zu stellen. Einmal stürzt er fast zu Boden, erst im allerletzten Moment schafft er es, sich am Bett abzustützen. Leise geht das nicht vonstatten, aber Behrsen schläft weiter. Allerdings beginnt die Zeit allmählich knapp zu werden.
Kreislaufstabilisierende Medikamente. Warum habe ich daran nicht früher gedacht? In einem der Regale finde ich Tropfen gegen Übelkeit und Schwindel, verabreiche Andris angesichts seiner Körpergröße das Doppelte der vorgeschriebenen Dosis und warte fünf Minuten.
Danach geht es etwas besser.
Er wankt einmal bis zur Tür und wieder zurück und setzt sich keuchend auf die Bettkante. Seine Stirn ist mit einem Schweißfilm überzogen. »Ich war noch nie so schwach«, klagt er.
»Das vergeht.« Die Zuversicht in meiner Stimme ist reiner Selbstbetrug. Ja, die Kraftlosigkeit vergeht, aber sollte das nicht innerhalb der nächsten Stunde geschehen, sind wir erledigt. Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als Andris wieder hinzulegen und zu behaupten, er sei aufgewacht und hätte sich den Katheter aus der Vene gerissen. Sie werden seine Medikamente höher dosieren und ich werde nichts mehr für ihn tun können.
»Mach eine Pause. Atme tief ein und aus. Dann versuch es noch einmal.«
Er macht Fortschritte. Beim dritten Mal kann er nach seiner Rückkehr durch den Raum neben dem Bett stehen bleiben und muss sich nicht sofort setzen.
»Großartig. Jetzt warte hier, ich bin in einer Minute wieder da.«
Es ist ruhig auf den Gängen des Medpoints. Kein Notfall, der Ärzte und Pflegehelfer aus ihren Dienstzimmern zwingt; ein Glück. Ich husche hinüber ins Materiallager, hole alles, was ich dort versteckt habe, und kehre zu Andris zurück, der in der Zwischenzeit begonnen hat, auf der Stelle zu traben.
»Siehst du … wie gut es … schon geht?«, keucht er.
Zu laut, alles viel zu laut. Ich werfe einen schnellen Blick in den Nebenraum. Behrsen schläft.
»Setz dich hin! Du brauchst deine Kräfte, teil sie dir ein.« Ich lege ihm die Pflegeruniform hin. »Das musst du anziehen.«
Andris gibt sich sichtliche Mühe, nicht empört zu schauen. »Wo sind meine Sachen?«
»Das weiß ich doch nicht! Außerdem kommst du in deinem Wolfsfell ganz sicher nicht an den Wachen vorbei, also hör auf, Fragen zu stellen, und tu, was ich dir sage!«
Zu meiner eigenen Überraschung protestiert er nicht, sondern zieht sich das Krankenhaushemd über den Kopf und steigt in die Uniform.
»Kurz«, stellt er fest. Das ist alles und damit hat er leider recht. Die Ärmel des Hemdes enden bei der Mitte seiner Unterarme. Aber immerhin passen die Schuhe beinahe.
Ich schultere meinen Beutel, die darin befindlichen Flaschen klirren leise gegeneinander. »Bist du bereit?«
»Ja. Auf geht’s.«
»Du bleibst hinter mir. Versuche, jedes Geräusch zu vermeiden. Wenn wir jemandem begegnen, schau nicht erschreckt oder aggressiv, sondern verschlafen, in Ordnung? Und das Reden überlässt du mir. Ausnahmslos.«
Er nickt und ich öffne leise die Tür.
Die Luft ist rein, ich winke Andris auf den Gang hinaus. Die Route, die wir nehmen werden, führt nicht durch den Haupt-, sondern den Lieferanteneingang, vorbei an den Müllsammelbehältern und der Spezialwäscherei des Medpoints.
Ich kann es kaum erwarten, den hell beleuchteten Korridor, den wir entlangschleichen, zu verlassen und in dunkle Seitengänge abzutauchen. Doch Andris braucht immer wieder Pausen. Er atmet schwer, hält sich an der Wand fest, nimmt sich aber sofort zusammen, sobald ich mich nach ihm umdrehe.
Er geht weiter und ich
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