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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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Ausschau nach Krunno. Es wäre großartig, mit ihm zu sprechen, er könnte uns sagen, wie die Situation im Territorium der Dornen gerade aussieht, wo die Scharten ihre Lager haben, ob noch Nachtläufer gesichtet wurden.
    Aber er ist auch heute nicht hier. Vielleicht kommt er bald, es ist noch früh, nur können wir auf keinen Fall warten.
    Wir haben höchstens zwanzig Minuten, um uns unsichtbar zu machen. Wenn sie später herumfragen, können gut und gerne zehn Leute bezeugen, dass das Mädchen und der Riese in den Pflegeruniformen auf das Wäldchen zugegangen sind. Mehr Menschen sind bisher nicht hier und vielleicht schenken uns nicht einmal die alle Beachtung.
    »In den Wald und dann sofort nach links«, sage ich. »Wenn sie uns verfolgen, werden sie denken, dass wir möglichst tief zwischen die Bäume geflohen sind. Wir sollten es ihnen nicht so leicht machen.«
    Andris’ blasse Gesichtsfarbe macht mir Sorgen, aber seit wir unter freiem Himmel sind, atmet er ruhiger.
    »Weißt du noch, was du gesagt hast?« Er grinst mich schief an. »Solange wir drinnen sind, bist du der Chef, und draußen ist es umgekehrt.« Er beschleunigt seine Schritte. »Ich kenne die Gegend. Ich weiß genau, wie wir ihnen entwischen.«
    Es dauert ein wenig länger, als ich dachte, bis die Sirenen ertönen. Wir können sie immer noch sehr gut hören, doch Andris hat uns bereits über einen Hügel außer Sichtweite geführt. Hier beginnt ein anderer kleiner Wald, der eine Ruinensiedlung überwuchert. Weit und breit ist kein Mensch zu sehen – noch nicht.
    Wieder heulen die Sirenen. Die Sentinel werden nicht lange auf sich warten lassen, in solchen Fällen sind sie auf schnelles Zuschlagen trainiert, und sie werden für die gleiche Wegstrecke deutlich weniger Zeit brauchen als wir mit unserem ungeeigneten Schuhwerk. Der Boden ist weich und schlammig, ich fürchte bei jedem Schritt, dass der Matsch mir die Schuhe von den Füßen zieht.
    Andris bahnt sich einen Weg zwischen den Bäumen hindurch, wobei er sich bemüht, keine Spuren zu hinterlassen. Ich vermute, er will sich in einem der zerstörten Häuser verstecken, aber er hat etwas Besseres im Auge: einen Keller, perfekt getarnt durch die Trümmer, unter denen er buchstäblich begraben liegt. Man muss den Spalt zwischen den Steinen genau kennen und bäuchlings hindurchrutschen, um nach unten zu gelangen.
    Ein sicherer Ort, wenn es so etwas überhaupt gibt.
    Wir setzen uns auf zwei Plastikkisten, die seit der Langen Nacht hier stehen müssen. Sie sind stabil und hart und ungemein schmutzig. Aus meinem Tragesack hole ich Kleiekekse, Brot und synthetischen Orangensaft. Andris bemüht sich sehr, mir nicht alles aus den Händen zu reißen, trotzdem überlasse ich ihm den Großteil des Proviants. Ich habe ohnehin keinen Hunger, ich bin viel zu nervös.
    Danach bleibt uns nichts weiter übrig, als zu warten. Wir sind zur Bewegungslosigkeit verdammt und damit auch zum Frieren. Für einen längeren Aufenthalt in der Außenwelt sind wir beide nicht ausgerüstet, obwohl mir die Luft beim Verlassen der Sphäre wärmer erschienen ist als je zuvor. Draußen, in der Sonne, die jetzt bereits am Himmel stehen müsste, ist es bestimmt gut auszuhalten, doch der Keller ist eisig. Ich schlinge die Arme um meinen Oberkörper.
    »Danke«, sagt Andris nach einiger Zeit. »Fürs Befreien. Und fürs Essen.«
    »Gerne.«
    Er krempelt den linken Ärmel hoch und betrachtet kurz das durchgeblutete Pflaster, bevor er es wegreißt.
    »Ich kapier’s ja immer noch nicht«, murmelt er. »Dass die mich haben leben lassen. Mich mitgenommen haben!« Er zieht ein komisch verdutztes Gesicht, das mich zum Lachen bringen soll. »Ich meine, wozu? Wenn ich wen befragen möchte, dann nehm ich mir doch keinen, der eins auf die Birne bekommen hat.«
    War da ein Geräusch? Kommen sie? Ich halte die Luft an, horche.
    Nein, es ist nur auffrischender Wind, der die Äste bewegt.
    »Ich denke«, erwidere ich leise, »sie hatten einen Grund, gerade dich zu fangen. Fangen zu lassen, genauer gesagt. Deine Größe, deine Kraft. Und dein Alter.«
    Er blinzelt irritiert. »Mein Alter?«
    »Ja. Ich glaube, sie waren erstaunt, dass du noch am Leben bist.«
    Ich rufe mir das Gespräch zwischen dem silberhaarigen Sentinel und dem Kontrolleur ins Gedächtnis, das ich von der Materialkammer aus belauscht habe. Sind Sie sicher, was das Alter angeht? Sehen Sie sich ihn an, er ist in jedem Fall über vierzig und höchst lebendig .
    Alter ist auch eins der

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