Die Verschworenen
gefällt mir nicht.« Sollte er mich jetzt einfach abwimmeln und wegschicken, habe ich ein Problem.
Ich blinzle ihn aus großen Augen an. »Bitte.«
Mein Vorschlag hat ihn auf jeden Fall überrascht. »Dich mitnehmen?«
»Ja, und dafür assistiere ich Ihnen bei jedem Nachtdienst, solange Sie noch hier sind. Ich tue das gerne.«
»Na, in diesem Fall …« Er lächelt. »Da wird sich bestimmt etwas machen lassen.«
Ich strahle. »Sie nehmen mich wirklich mit?«
Er denkt gar nicht daran, das zu tun, und er wird später einen Grund finden, warum es meine Schuld ist, dass er sein Versprechen nicht halten kann. »Ja sicher. Wenn du dich weiterhin so geschickt anstellst.«
Da ist sie, die Hintertür. Behrsens Scheinheiligkeit macht es mir leichter, ihm das anzutun, was ich vorhabe. Falls es mir gelingt, wird er zweifellos degradiert, wenn nicht Schlimmeres.
Ich freue mich demonstrativ, fehlt nur, dass ich hüpfe und in die Hände klatsche. »Vielen Dank! Ich kümmere mich gleich um ihn, ja?« Mit ausgestrecktem Zeigefinger deute ich auf Andris.
»Tu das.« Behrsen schließt sein Datenterminal. »Aber erzähl niemandem von deinen Extradiensten, ja? In deinem eigenen Interesse. Du bist nicht in die Liste eingetragen, eigentlich dürftest du überhaupt nicht hier sein.«
»Ich sag keinem was, ganz sicher!«
Er steht auf und geht ins Nebenzimmer, wo er damit beginnt, die Klappliege aufzustellen. Sie ist, wie die meisten Dinge in Vienna 2, nicht mehr ganz neu und klemmt. Ab jetzt ist alles eine Frage der Schnelligkeit. Damit, dass sich so rasch eine Gelegenheit für meinen ersten Schritt ergeben würde, habe ich nicht gerechnet, aber ich werde sie nutzen. Das Fläschchen mit dem Dormodon befindet sich in meiner Hosentasche, ich kann es ungesehen mit einer Hand aufschrauben, und während Behrsen noch mit der Klappliege kämpft, kippe ich ein Drittel des Inhalts in das Glas mit dem Vitamingetränk, das er auf dem Tisch hat stehen lassen.
Als er ins Krankenzimmer zurückkommt, stehe ich schon an Andris’ Bett und habe damit begonnen, ihn zu waschen. Gesicht und Hals und Hände, das wird diesmal reichen müssen, denn Behrsen macht keine Anstalten, mir beim Bewegen des schweren Körpers zu helfen.
»Ich gehe nach nebenan, da kann ich in Ruhe arbeiten«, sagt er und nimmt sein Datenterminal an sich.
Das Glas mit dem Vitamingetränk lässt er zu meinem großen Schrecken stehen, kommt aber eine Minute später noch einmal zurück und nimmt es ebenfalls mit. »Ich muss wichtige Akten bearbeiten. Stör mich bitte nur im Notfall. Der Patient war den ganzen Tag über stabil, du solltest einen problemlosen Dienst vor dir haben.«
Ich murmle zustimmende Dankesworte.
Behrsen verschwindet in der Kammer, während ich fortfahre, Andris zu waschen. Die Stirn, die Augenwinkel, die Lippen, den Hals.
Ist es zu früh, seinen Tropf abzuklemmen? Beim letzten Mal hat es beinahe eine Stunde gedauert, bis er aufgewacht ist. Angenommen, Behrsen rührt sein Getränk die nächsten zwei Stunden nicht an …
Nein, ich werde warten, bis die beruhigenden Schnarchgeräusche einsetzen. Die Nacht ist lang, vor dem Morgengrauen können wir ohnehin nicht durch die Schleuse. Am liebsten würde ich die Zeit vorwärtsdrehen, die Untätigkeit macht mich nervös und das wiederum macht mich anfällig für Fehler.
Graukos Entspannungsübungen helfen diesmal nur wenig. Ob er meine Nachricht erhalten hat? Ich wünschte, ich hätte dabei sein und sein Gesicht sehen können. Ich erinnere mich an das Glühen in seinen Augen, wenn ihn etwas besonders gefreut oder mit Stolz erfüllt hat.
Meine Geduld wird heftig strapaziert. Erst nach Mitternacht dringen die sehnlich erwarteten sägenden Geräusche aus dem Nebenraum. Ich ziehe wieder die Schuhe aus, bevor ich hinüberschleiche. Das Datenterminal liegt auf Behrsens Bauch, wo es sich im Rhythmus seiner Atemzüge hebt und senkt. Das Glas hat er nur zur Hälfte ausgetrunken.
Ich hoffe sehr, dass die Dosis trotzdem hoch genug war. Jetzt, endlich, kann ich die Schlafmittelzufuhr bei Andris abklemmen.
Es scheint unerträglich viel Zeit zu vergehen, bis er sich erstmals rührt. Seinen Kopf von links nach rechts dreht.
Ich sitze neben ihm, lasse ihn nicht aus den Augen. Als seine Lider zu flattern beginnen, greife ich nach seiner Hand und bringe meinen Mund dicht an sein Ohr.
»Andris«, flüstere ich. »Es ist so weit.«
Sein erster Blick ist ziellos. Ratlos, fast kindlich. Dann kehrt langsam seine Erinnerung
Weitere Kostenlose Bücher